Gottesmörder

"Ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und die Freilassung eines Mörders gefordert." (Apostelgeschichte 3,14) - Stellen wie diese hat man immer wieder als Anklage gegen die Juden gelesen und die Juden deshalb als "Gottesmörder" beschimpft.
Dabei hat man allerdings übersehen, dass die Bibel nie nur von längst vergangenen Ereignissen berichtet. Sie spricht in unsere Gegenwart hinein. Und wenn in der Bibel Gottes Volk kritisiert wird, dann ist das genauso Kritik am heutigen Gottesvolk - und zu diesem gehören auch wir.

Bilden wir uns denn etwa ein, dass Jesus von Nazareth heute von seiner Kirche nur begeistert wäre? Meinen wir, dass er an uns, an unseren Feiern, unserem Leben und den Amtsträgern unserer Kirche weniger auszusetzen hätte, als an den Funktionären von Religion zu seiner Zeit? Und bilden wir uns denn ein, dass er heute mit Begeisterung aufgenommen würde?
"Nein, ans Kreuz schlagen würde man ihn vermutlich nicht mehr", hat mir vor einigen Jahren einmal eine Viertklässlerin gesagt, "aber in eine Irrenanstalt, da würde man ihn hineinsperren..."