Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Weihnachten - Am Tag (Joh 1,1-5. 9-14)
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. (Joh 1,1-5. 9-14)
Foto: Jörg Sieger, 2002
Für meinen Geschmack ist es nicht der schönste, aber es ist einer von der Sorte, die man nicht einfach wegwerfen - oder wie man heute sagt - entsorgen kann; selbst dann, wenn man es eigentlich wollte.
Es scheint so etwas wie ein "Erbstück" zu sein. Wahrscheinlich hat er einmal Pfarrer Herp gehört. Und er verblieb eben im Pfarrhaus und landete, weil mein Vorgänger offenbar auch nichts mit ihm anzufangen wusste, in einer Ecke des Archivs.
Nun müssen ja auch Archive manchmal entrümpelt werden. Und deshalb kam ich auf die geniale Idee, diesen Kerzenleuchter einfach zu verschenken, an einen verdienten Mitarbeiter etwa.
Dem gefiel er aber offenbar genauso gut wie mir und er kam nach kurzer Zeit auf die gleiche Idee wie ich. Er schenkte ihn ganz einfach weiter. Und letzthin, bei irgendeinem offiziellen Anlass, da habe auch ich dann dieses Erbstück, diesen Kerzenleuchter, hochoffiziell als Geschenk erhalten - ich hab' ihn wieder zurückerhalten; und jetzt steht er wieder im Pfarrhaus und heute deshalb hier.
Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt Geschenke, die will eigentlich keiner. Und wenn man sie bekommt, dann ist man alles andere als glücklich und zufrieden - da überlegt man sich bisweilen sogar gleich, wie man das ungeliebte Geschenk am elegantesten wieder loswerden kann.
Da ist dieser Kerzenleuchter in allerbester Gesellschaft. Er ist heute schließlich nicht das einzige ungeliebte Geschenk. Neben zig anderen, die irgendwo unter unseren Christbäumen gelandet sind, gibt es ein ganz bekanntes Geschenk, das das Schicksal mit diesem Kerzenleuchter letztlich teilt.
Als das Kind geboren worden war, jenes Kind, weswegen wir heute immer noch ein Fest feiern, hatte da nicht jemand von einem Geburtstagsgeschenk gesprochen?
Es war ein tolles Geschenk, eines, das Sie sicherlich liebend gerne annehmen würden - ich genauso.
Die meisten sehnen sich danach. Für manche kommt es aber gar nicht recht, sie können offensichtlich im Augenblick genauso wenig damit anfangen, wie ich mit diesem Kerzenleuchter.
"Und auf Erden ist Friede..." haben die Engel gesungen. Das war das Geburtstagsgeschenk der Weihnacht, ein Geschenk, das so bedeutend sein sollte, dass man Weihnachten gar zum Fest des Friedens erklärte.
Manchen ist dieses Friedensfest augenblicklich gar nicht so recht. Sie können dieses Mal gar nicht so viel damit anfangen, warten eigentlich nur darauf, dass es wieder vorüber ist.
Und ich rede jetzt nicht zuerst von den Zuständen, wie sie in der Stadt der Weihnacht, wie sie in Bethlehem herrschen. An die Nachrichten aus dem Heiligen Land hat man sich mittlerweile ja schon so gewöhnt, dass sie schon gar nicht mehr aufmerken lassen.
Ich rede von den neuen Bedrohungen des Friedens, die wie ein Damoklesschwert über diesem Weihnachtsfest schweben.
Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, dass nur das Ende des Ramadan abgewartet wurde, und dass das Weihnachtsfest, dass der 6. Januar vielleicht gerade noch abgewartet werden wird. Man muss kein Prophet sein, um zu erahnen, dass dann die Raketen starten und die Panzer rollen werden. Selten zuvor schien mir ein Krieg so ausgemacht zu sein wie in diesen Tagen.
"Und Frieden auf Erden", lautet die Botschaft der Weihnacht. Man spürt förmlich, dass man nur auf den Zeitpunkt wartet, an dem man dieses Geschenk an den Absender zurückschicken kann.
"Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf." Selten zuvor hat dieser Satz des Johannes-Evangeliums traurigere Saiten in mir zum Klingen gebracht.
Ich habe vor wenigen Wochen in Ägypten einen 18jährigen kennengelernt - einen, der gut Deutsch kann. Er war eine ganze Zeit lang beim Schüleraustausch in Deutschland gewesen. Jetzt leistet er seinen Militärdienst in Ägypten. Und er fragt sich eigentlich nur das eine: Je nachdem, wie die Verhandlungen ausgehen, je nachdem, auf welche Seite sich die Verantwortlichen in Ägypten schlagen werden, je nachdem, kann er in vier Wochen vielleicht schon an der Front stehen - mit achtzehn Jahren!
Da werden Bilder aus längst vergangen geglaubten Tagen plötzlich wieder lebendig. Da gewinnt die Bedrohung ein Gesicht. Und da wird wieder einmal deutlich, dass nicht diejenigen die Suppe auslöffeln werden, die sie den Menschen eingebrockt haben - weder die einen noch die anderen.
Ich kann in diesem Jahr nicht in eine rührselige Weihnachtsstimmung verfallen und ich kann dieselbe deshalb auch nur bedingt pflegen. Das große Gottesgeschenk ist gerade in diesen Tagen dermaßen bedroht, dass wir die Augen nicht verschließen und darüber hinwegsehen können.
Heute ist deshalb nicht nur Tag der Erinnerung, Tag der Erinnerung an die Geburt des Herrn. Heute ist Tag des Gebetes. Heute müssen wir darum beten, dass Weihnachten Friedensfest bleibt, dass Friede und Freiheit erhalten bleiben, dass alles daran gesetzt wird, um friedliche Lösungen zu finden - dass alles daran gesetzt wird, um den Frieden denen zu bringen, die heute schon vom Hass regiert werden und ihres Lebens nicht mehr sicher sind.
Heute müssen wir beten. Wenn die Waffen dann wieder sprechen, dann werden die Friedensgebete wieder überall aus dem Boden sprießen. Aber jetzt ist die Zeit zum Beten, jetzt, wo noch etwas zu machen ist.
Warum beten die meisten immer erst dann, wenn das Kind schon wieder in den Brunnen gefallen ist? Jetzt müssen wir beten, dass die Botschaft der Weihnacht Wirklichkeit wird und Wirklichkeit bleibt.
"Und Frieden auf Erden."
Gott bietet ihn uns an. Gott will ihn uns schenken. Weisen wir sein Geschenk - nein, nicht um Gottes Willen, um unseretwillen - nicht zurück.
Den Kerzenleuchter - ich habe ihn am Ende wiedererhalten. Nicht bei allen Geschenken geht es uns so. Wenn wir Gottes großes Geschenk so mir nichts dir nichts einfach ausschlagen, wer weiß, ob es so schnell wieder vor unserer Türe steht.
"Wo bist du, Gott, du großer Stern,
den die Gebete nennen?
Du warst doch nah und bist so fern
und lässt dich nicht erkennen.
Die Augen nehmen dich nicht wahr,
wir gehen wie die Blinden
und suchen, wo dein Bild einst war,
und können dich nicht finden.
Wir hören deine Stimme nicht
im Lärmen der Motoren.
Lass leuchten, Herr, dein Angesicht,
sonst gehen wir verloren.
Der Himmel über uns ist leer
und nirgends Engelheere.
Wo nehmen wir den Frieden her?
Wir haben nur Gewehre.
Weiß einer noch, wo Hirten sind,
die wachen bei den Herden?
Zeig uns den Stall, zeig uns das Kind,
dass wir gerettet werden." (Lothar Zenetti)
(gehalten am 24./25. Dezember 2002 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)