Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Predigt an Fronleichnam
Wenn das unsere Großeltern noch erleben könnten, die, die die alten Zeiten noch kannten, die Zeiten des kalten Krieges.
Jetzt aber nicht zwischen den Russen und den Amerikanern, diese Zeiten meine ich jetzt nicht. Ich meine jenen anderen kalten Krieg, den zwischen den Konfessionen nämlich.
Ich habe das zum Glück nicht mehr erlebt, dass die Katholiken am vermeintlich rein-evangelischen Karfreitag ihren Stall geweißelt haben. Und wie sich bei uns dann die Evangelischen am ach so katholischen Fronleichnamstag damit revanchiert haben, durch die Straßen den Mist aufs Feld zu fahren. Der kalte Krieg zwischen den Konfessionen, der ist Gott sei Dank vorüber.
Und ob sich unsere Großeltern überhaupt vorstellen könnten, dass der evangelische Kollege beim Fronleichnamsgottesdienst nicht nur dabei ist, sondern sogar mitwirkt! Ich glaube mancher von denen würde die Welt nicht mehr verstehen.
Liebe Schwestern und Brüder,
es hat sich viel getan in den letzten Jahrzehnten. Und einige meinen, man könne stolz darauf sein. Für andere hat sich sogar schon viel zu viel getan.
Und dementsprechend scheint da irgendwie auch ziemlicher Stillstand eingetreten zu sein. Es geht eigentlich nur noch ganz zäh vorwärts - wenn sich überhaupt noch etwas bewegt. Nach der großen Begeisterung in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gibt es jetzt eigentlich nur noch Stillstand.
Von Seiten der Kirchenleitungen hört man diesbezüglich, dass man eben Zeit brauche, dass die Dinge langsam angegangen werden müssten und dass es noch vieler Gespräche und theologischer Überlegungen bedarf.
Das kann ich so nicht nachvollziehen. Ich weiß nicht, warum das alles so langsam gehen muss. Wir brauchen uns doch gar nicht zu fragen, wie und auf welche Weise wir denn überhaupt eins sein können. Wir sind es doch schon lange! Oder glauben wir ernsthaft, dass es für Jesus Christus unterschiedliche Kirchen gibt, dass er unterscheiden würde in evangelische und katholische oder orthodoxe und methodistische Christen? Glauben wir allen Ernstes, dass Gott unsere theologischen Diskussionen auch nur im Entferntesten interessieren?
Für ihn sind wir doch längst eins, eine Kirche, Kyriake, all die, die zu ihm, zum einen Herrn Jesus Christus gehören. Denn genau das meint doch das griechische Wort letztlich: Kyriake, Kirche, das heißt zum Kyros, zum Herrn gehörig. Und wer zu ihm gehört, das entscheiden nicht unsere Diskussionen, nicht unsere Theologie, das entscheidet einzig und allein dieser Herr Jesus Christus. Das entscheidet er allein.
Manchmal kommt es mir so vor, als wären wir wie kleine Kinder in einer großen Familie. Kinder, die sich gegenseitig streiten und voneinander behaupten, der andere gehört jetzt gar nicht mehr dazu, mit dem spiel ich nicht mehr.
Bei kleinen Kindern ist das vielleicht noch normal. Wenn sie aber älter werden, macht solches Verhalten den Eltern meist nur Kummer. Und wie viele Väter und vor allem wie viele Mütter leiden darunter, dass sich ihre Kinder nicht mehr verstehen, dass es fast unmöglich ist, sie an einen Tisch zu bekommen.
Es ist nicht "bemerkenswert", dass wir Schritte aufeinander zu machen. Es ist keine großartige Leistung, dass wir schon einiges erreicht haben. Und wir können uns auch nichts darauf einbilden, dass wir schon ein gutes Stück des Weges gegangen sind. Es ist nämlich unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das, was Gott von uns erwartet und mit Fug und Recht erwarten darf, dass wir, dass seine Kinder sich nämlich zusammenraufen, dass wir wirklich eins sind, Kinder einer Familie, Gottes großer Familie eben.
Deswegen dürfen wir nicht locker lassen und müssen die nächsten Schritte einfordern, müssen die Verantwortlichen immer wieder dazu auffordern, Lösungen nicht nur zu suchen, sondern auch wirklich zu finden. Gott will seine Kinder schon lange an einem Tisch versammelt sehen. Nicht er hindert uns daran, auch nicht unser Glaube. Es sind Rechthabereien, Spitzfindigkeiten und es ist nicht zuletzt eine Frage von Einfluss und Macht - nicht unbedingt hehre Motive, die die wirkliche Einheit noch aufschieben.
Und das ist ein Ärgernis. Die Spaltung der Christenheit ist ein Ärgernis. Denn sie verunklärt das Zeugnis für Christus in dieser Welt.
Es geht um die Spuren Gottes in dieser Stadt, so wurde das Thema für den heutigen Gottesdienst überschrieben. Diese Spuren gibt es. Und wir sind dazu berufen, auf sie hinzuweisen, sie entdecken zu lehren, den Menschen nahezubringen. Die Spaltung aber, die hindert uns daran, diesen Auftrag wirklich zu erfüllen. Unsere inneren Zwistigkeiten machen uns nämlich unglaubwürdig.
Wenn wir heute gemeinsam das Sakrament und das Evangelienbuch durch die Straßen von Rintheim tragen, dann ist das schon ein starkes Zeichen. Aber es reicht noch lange nicht aus. Es reicht nicht aus, große Gottesdienste abzuhalten und eine feierliche Liturgie zu feiern. Es reicht nicht einmal aus, das Wort Gottes einfach vorzutragen. Wir müssen den Worten Taten folgen lassen. Denn das ist unser Auftrag in dieser Welt. So hat es Christus selbst formuliert: Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.
Solange wir uns gegenseitig nicht grün sind, werden wir in dieser heutigen Zeit kaum überzeugen können. Solange wir das nicht wirklich leben, was wir tagtäglich verkünden, solange wird unser Zeugnis keinen Blumentopf wert sein.
Packen wir's endlich an, schreiten wir tatsächlich mutig voran und lassen wir den Worten wirkliche Taten folgen. So wie es uns nicht zuletzt Papst Franziskus ins Stammbuch geschrieben hat. Denn wie hat er doch so schön gesagt?
"Geht hin und verkündet das Evangelium. Verkündet das Evangelium - wenn nötig, wenn nötig auch mit Worten…"
Amen.
(gehalten am 4. Juni 2015 in St. Martin, Karlsruhe)