Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Fest der Taufe des Herrn - Lesejahr C (Jes 40,1-5. 9-11)
Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott. Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht, dass ihre Schuld beglichen ist; denn sie hat die volle Strafe erlitten von der Hand des Herrn für all ihre Sünden. Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott! Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben. Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen. Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Seht, da ist euer Gott. Seht, Gott der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm. Seht, er bringt seinen Siegespreis mit: Alle, die er gewonnen hat, gehen vor ihm her. Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam. (Jes 40,1-5. 9-11)
Woran erkennt man einen Propheten?
Nein, nicht an seinem Äußeren, und nicht einmal daran, dass er etwas vorhersagt. Wenn ich jetzt flapsig antworten möchte, dann müsste ich sagen: Man erkennt ihn daran, dass ihm niemand glaubt.
Liebe Schwestern und Brüder,
das ist tatsächlich schon fast so etwas wie ein richtiges Kennzeichen: Nichts wollten Sie hören, die Menschen in Israel, als die Propheten erklärten, dass es so nicht weiter gehen könne. Ausgelacht hat man sie, all diejenigen, die verkündeten, dass es sich rächen werde, wenn man über seine Verhältnisse lebt, keinerlei Rücksicht mehr nimmt und über Leichen geht.
'Gott steht auf unserer Seite. Der Tempel, der Tempel Gottes ist hier - was soll uns schon Schlimmes passieren.' Niemand wollte sie hören, die sogenannten Unheilspropheten.
Angesehen waren die anderen: die, die den Einflussreichen, den Religionsführern, Politkern und Managern Honig ums Maul schmierten; die sie bestärkten und - unter dem Motto, wer nicht wagt, nicht gewinnt - in der Sicherheit wiegten, auf dem rechten Weg zu sein.
Sie waren gern gesehen und konnten von ihren Prophezeiungen sogar ganz gut leben. Wer solch gute Nachrichten überbrachte, dem steckte man natürlich ganz gerne was zu.
Recht behalten aber haben die anderen, die, die das Unheil vorhergesehen haben.
Man konnte die Gotteshäuser so prächtig gestalten wie man wollte, die Gottesdienste so aufwendig und oft feiern wie man nur konnte, das war Gott völlig egal. Wo das Recht und das Leben der Menschen mit Füßen getreten wurde, dort sah er nicht untätig zu. Kein Stein blieb auf dem anderen.
Recht behalten hatten sie: die Propheten, die dem Volk den Untergang angedroht hatten. Und das, obwohl ihnen zuvor keiner hatte glauben wollen.
Denn glauben, dass tun die wenigsten einem wirklichen Propheten - selbst dann nicht, wenn er kein Unheil prophezeit.
Und das ist das eigentlich Erstaunliche. Als dann das Volk nämlich am Boden war, als Jerusalem zerstört war und man in der Verbannung lebte, da traten schließlich erneut Propheten auf. Und sie verkündeten jetzt, was wir eben in der Lesung gehört haben:
"Tröstet, tröstet mein Volk. Verkündet, dass die Schuld beglichen ist. Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht. Seht da ist euer Gott. Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide. Er sammelt mit starker Hand." Aufwärts geht es, neues Heil leuchtet am Horizont. Verzagt nicht, alles wird gut!
Als das Volk auf der Nase lag, verkünden Propheten das Heil.
Aber nicht, dass die Menschen nun in Scharen gelaufen wären, nicht dass jetzt alle in Jubel ausgebrochen wären. Die Heilspropheten erfuhren genau das gleiche Schicksal wie die Unheilspropheten.
"Gut soll alles werden? Schau dich um, alles ist am Boden, alle Hoffnung dahin, es gibt keinen Ausweg, wir sind am Ende!" Niemand hat ihnen geglaubt.
Wenn Menschen aufgetreten sind und die Botschaft Gottes auf den Punkt gebracht haben, wenn sie die Bibel konkret werden ließen, dann wollte es niemand hören. Wenn die Bibel konkret wird - ich denke, da liegt der Hase im Pfeffer.
Immer dann, wenn Menschen uns klar machen, dass die Botschaft von Gott keine nette Geschichte aus der Vergangenheit ist - kein erbauliches Märchen, das sich halt so schön erzählen und vorlesen lässt -, immer dann Menschen uns klar machen, dass die Botschaft von Gott etwas mit mir zu tun hat, mit mir persönlich, mit meiner Zukunft und - vor allem - mit meiner Gegenwart, dann wird es ganz besonders schwierig.
Genau das haben die Propheten getan. Sie haben deutlich gemacht, dass Glaube mit mir zu tun hat und mit dem, was es jetzt zu tun gilt. Und dann wird es unangenehm, dann wird es persönlich, dann fängt es an, mich selbst zu betreffen. Und genau dann wollen viele plötzlich nichts mehr davon wissen.
Heute ist das nicht anders als damals: Weihnachten will uns klar machen, dass Lieblosigkeit keine Zukunft hat. Und kaum jemand schert sich darum.
Gott will uns klar machen, dass Menschlichkeit das wichtigste im Leben ist. Und kaum jemand zieht Konsequenzen daraus.
Gott führt uns vor Augen, dass wir dem Abgrund zusteuern, wenn wir so weitermachen. Aber keiner reist das Steuer herum.
Und selbst dann, wenn wir auf die Nase gefallen sind, wenn wir wieder einmal den Abgrund hinuntergesegelt sind, selbst wenn uns Gott dann zuruft, dass er bei uns bleibt, dass er uns wieder aufstehen hilft, dass wir uns an ihn halten können und am Ende alles doch noch gut werden wird, da wo er uns dann zuruft: Steh auf, es wird alles gut! - da verkriechen wir uns nicht selten im eigenen Elend und haben keinen Blick mehr für das Licht; da wollen wird kaum etwas davon hören, dass die Botschaft von Gott, der die Menschen liebt, mit uns zu tun hat, uns gilt und in unserem Leben konkret werden will.
Dabei wäre das das erste was es zu begreifen gilt: Sie will konkret werden. Die Botschaft von Gott, all die Geschichten der Bibel, sie sind keine Geschichtsschreibung und erst recht keine Märchen. Es sind Worte für unser Leben.
Wir dürfen Sie nicht aus dem Blick verlieren - überall dort, wo wir mit Vollgas durchs Leben brettern. Und wir können uns an sie halten, wenn wir dann - auch selbstverschuldet - wieder einmal auf der Nase gefallen sind. Denn sie wollen uns helfen, wieder auf die Füße zu kommen: Uns und ganz konkret.
Die Propheten damals haben nichts anderes verkündet. Nach zweieinhalb Tausend Jahren sollten wir es endlich begreifen.
Amen.
(gehalten am 10./11. Januar 2004 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)