Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
32. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C (Lk 20,27. 34-38)
In jener Zeit sprach Jesus zu einigen von den Sadduzäern, die die Auferstehung leugnen: Nur in dieser Welt heiraten die Menschen. Die aber, die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, werden dann nicht mehr heiraten. Sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes geworden sind. dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig. (Lk 20,27. 34-38)
"Der Tod muss katholisch sein!"
Liebe Schwestern und Brüder,
das ist ein Titel, der mir unheimlich zu denken gegeben hat. Mit diesen Worten überschreibt der Kabarettist Otmar Traber eines seiner Lieder: "Der Tod muss katholisch sein!"
Otmar Traber spielt dabei einen alten Kardinal, der all das zum Besten gibt, was man so an Vorurteilen über unsere Kirche kennt: vernünftiges, eigenverantwortliches Denken – ist verboten; Lebenslust, Sinnenfreude – ist verboten; alles was Spaß macht – ist verboten; Fröhlichkeit und Freude – verboten. Und das Ganze gipfelt dann in den Worten: "Der Tod muss katholisch sein!"
Das hat mir unheimlich zu denken gegeben, denn dieses Bild verbreiten wir ja offensichtlich. Wenn man anschaut, was die Medien von unserer Kirche berichten, und welche Vorstellung weithin die öffentliche Meinung beherrscht, dann sieht das ja genau so aus. Und manche unbedachte Äußerung von offizieller Seite, manches Dokument in seiner schwer verständlichen kurialen Ausdrucksweise scheinen das ja auch noch zu bestätigen: Lebensfreude, Sinnenhaftigkeit und Leiblichkeit, damit scheint unsere Kirche heute auf Kriegsfuß zu stehen. Nicht umsonst gibt es das bissige Sprichwort: "Alles was Spaß macht ist Sünde oder macht dick!"
"Der Tod muss katholisch sein." Mit dem Leben hat unsere Kirche nicht mehr viel zu tun, so zumindest bringt es Otmar Traber ganz bissig und provokativ auf den Punkt.
Und ein Stück weit, hat er wahrscheinlich sogar recht. Bei all den Übertreibungen, all den falschen und verzerrenden Darstellungen - etwas ist schon dran, ein Stück weit ist unsere Kirche schon selbst schuld an dem Bild, das sie in der Öffentlichkeit so häufig abgibt.
Natürlich ist es absolut notwendig und überhaupt keine Frage, dass wir Position beziehen, Stellung nehmen und die Werte, die uns wichtig sind, gegen alle Angriffe von außen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Das ist keine Frage.
Aber das darf doch nicht dazu führen, dass selbst unter uns der Eindruck entsteht, Kirche bestünde nur noch aus Vorschriften, Pflichterfüllung Geboten und Verzicht. Das darf doch nicht dazu führen, dass wir Frömmigkeit reduzieren auf Ruhe und Stille und Rückzug aus der Welt. Und erst recht darf es nicht zur Folge haben, dass wir Gott nur noch mit rein Geistigem in Verbindung bringen. So mancher von den blutleeren Gestalten, zu denen gerade sogenannte "Geistliche" ganz leicht verkommen, so mancher von uns ist eher ein Zerrbild als ein Hinweis auf den Gott, der von sich sagt, dass er ein Gott der Lebenden ist, ein Gott des Lebens.
Gott ist das Leben und deshalb muss seine Kirche auch eine lebendige Kirche sein, eine Kirche, die so bunt ist, wie das Leben.
Wir gedenken der Toten und wir trauern mit den Traurigen, aber in einer Kirche, die sich auf den beruft, der sein erstes Wunder beim ausgelassenen Treiben einer Hochzeit wirkte, ist genauso Platz für Lachen, Fröhlichkeit und Fest und nicht nur draußen, nein, gerade hier im Gottesdienst!
Wir brauchen Ruhe und Meditation, wir brauchen das Nachdenken über Gott, unseren Verstand und unseren Geist, aber mindestens genauso wichtig ist für uns Menschen unser Leib, mit seiner ganzen Sinnenhaftigkeit, seiner Geschlechtlichkeit, und Lebensfreude.
Gott selbst schreibt uns dies heute wieder ganz neu ins Stammbuch. Denn er ist ein Gott der Lebenden. Er ist der Gott des Lebens. Diesem Gott zu folgen, heißt alles andere als Trübsal zu blasen. Kirche zu sein, heißt lebendig zu sein und das Leben zu feiern - gerade hier, gerade im Gottesdienst - das Leben zu feiern.
Amen.
(gehalten am 8. November 1998 in der Pauluskirche, Bruchsal)