Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Fasnachtssonntag =
6. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 5,20-22a. 27-28. 33-34a. 37)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich sage euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein. Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst keinen Meineid schwören, und: Du sollst halten, was du dem Herrn geschworen hast. Ich aber sage euch: Schwört überhaupt nicht. Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen. (Mt 5,20-22a. 27-28. 33-34a. 37)
Das Morität'chen vom Spiegel
Kaum ist man aus dem Bett gekrochen
und hat den Schlaf noch in den Knochen,
da führt der erste Weg fast immer
jeden von uns ins Badezimmer.
Und wenn dann schon die Sonne lacht
und strahlt mit ihrer ganzen Pracht,
so hell wie sie nur scheinen mag,
dann fängt ein jeder neuer Tag
für viele Frau‘n und manchen Mann
mit einem kleinen Drama an.
Denn wenn man dann noch recht lädiert
ansonsten aber ungeniert
ganz einfach in den Spiegel blickt,
dann mehr als häufig man erschrickt.
Der Spiegel zeigt ganz unbarmherzig
und deshalb meist auch ganz schön schmerzlich
jedes neue graue Haar,
die Ringe unterm Augenpaar
und alle klitzekleinen Falten -
neue genauso wie die alten.
Der Spiegel bringt es an den Tag,
er fragt nicht nach, ob ich es mag.
Ich kann mich noch so viel bemühen,
die Haare täglich neu einsprühen,
die Haut so oft ich will eincremen,
mit Rouge die Blässe übertönen,
ich kann es noch so gut verstecken,
am nächsten Morgen wird entdecken,
wie’s wirklich ist, der dumme Spiegel,
darauf geb‘ ich Euch Brief und Siegel.
Das mag den wenigsten gefallen,
dass so ein Spiegel zeigt uns allen
die Wirklichkeit, so wie sie ist.
Dabei tut er es ohne List.
Er zeigt die Dinge wie sie sind.
Für Falschheit ist ein Spiegel blind.
Deshalb für mich das Fazit ist:
Der Spiegel wär‘ ein guter Christ!
Denn er allein scheint es zu wagen,
immer die Wahrheit nur zu sagen.
Sein "Ja" ist "Ja", sein "Nein" ein "Nein",
so wie es eigentlich soll sein,
nach dem, was Jesus uns erklärt,
und seinen Jüngern hat gelehrt.
Bei Menschen ist das nie so klar:
Ist’s Lug, ist’s falsch oder ist’s wahr?
Hat man mir da nur schmeicheln wollen?
Klang das nicht etwas zu geschwollen?
Regierte da Diplomatie?
Vieles erfahre ich ja nie.
Und wenn mir jemand etwas sagt,
dann ist’s oft gut, wenn man sich fragt,
ob er da nicht hat übertrieben,
bei all dem, wie er sich beschrieben.
Denn oft regiert ja das Bestreben
sich selber nur den Schein zu geben,
als wär‘ ich besser als ich bin.
Mein Tun hat oft ja nur den Sinn,
vieles ganz einfach zu verbergen,
damit die anderen nicht merken,
wo ich ganz große Fehler hab.
So gibt ein jeder das Bild ab,
als wären alle doch so gut.
Am Ende man sich wundern tut,
warum die Welt nicht besser ist,
wo doch ein jeder nicht nur Christ,
sondern selbst heiligmäßig sei.
Drum fort mit dieser Lobhudelei,
lasst uns in unsern Spiegel schauen,
und ihm alleine noch vertrauen.
Er soll uns jetzt die Wahrheit zeigen
und nichts, aber auch nichts verschweigen.
Spiegelein, Spiegelein in der Hand,
zeig‘ uns die Wahrheit über uns und das Land.
Nur um es gleich vorweg zu klären
und Missverständnissen zu wehren:
ich meine jenen Spiegel nicht,
den mancher voller Zuversicht
sich kauft oder gar abonniert,
weil er hofft darin fundiert,
nichts als die Wahrheit nur zu finden.
Dabei tun die die Wahrheit schinden,
die bei Presse, Funk und Fernsehn
nur noch auf Sensationen stehn.
Mein Spiegelein zeigt mir ganz klar
wie sie unterliegen der Gefahr,
dass dort die Quote die Wahrheit verdrängt
und in gar schiefe Berichterstattung zwängt.
Mittlerweile gilt für fast jedes Produkt::
da wird gelogen wie gedruckt!
Und leider sind all die nicht besser,
sondern lügen gar noch kesser,
die in Wirtschaft und der Politik
lenken der Welt und unser Geschick.
Er hat ja schon Temperament,
dieser amerikanische Präsident.
Was der sich da hat eingebrockt...
Dabei hat‘s mich nicht mal am meisten geschockt,
dass er‘s mit der Monica getrieben.
Er wäre vielleicht noch ein Vorbild geblieben,
wenn er das Ganze gestanden hätte.
Doch er verstrickt sich in eine Kette
von Widersprüchen und Ungereimtheiten
und als Gipfel all dieser Unverschämtheiten
leistet er gar noch einen Eid.
Ja, so steht‘s um die Wahrheitsliebe heut.
Denn leider ist das ja kein Einzelfall;
man kann es erleben fast überall.
Es ist schon ein gar trauriger Rekord,
wie oft heut gebrochen wird ein Ehrenwort.
Alle Mächtigen dieser Welt
und all diejenigen mit viel Geld,
denen wir unsere Zukunft ja anvertrauen,
die müssten in meinen Spiegel hier schauen,
denn der, der brächte an den Tag,
was keiner von denen gern hören mag.
Ach gäb‘ es doch mehr Ehrlichkeit
und etwas mehr Wahrhaftigkeit;
für Staat und Land wünscht ich es mir,
und auch für unsere Kirche hier.
Gerade ihr stünde es gut,
wenn sie bekäm‘ das Attribut,
dass sie von Grund auf ehrlich sei –
doch das zu behaupten, wär‘ Heuchelei.
Das Spiegelein weiß zu berichten,
von vielen traurigen Geschichten.
An Vorstellungen klebt man, an ganz alten,
und will dabei einen Anspruch hochhalten,
den kaum einer je einmal konnt‘ erfüllen.
Und weil niemand sich endlich traut zu enthüllen,
wie es halt ist, macht man in der Still
ganz einfach das, was man halt will.
Manches ach so fromme Gehabe:
bei Licht besehen ist’s nur Fassade.
Zwischen dem Anspruch und der Wirklichkeit
klafft da in unserer Christenheit
eine Schlucht, die gleichsam abgrundtief.
Kein Wunder, dass deshalb kaum attraktiv
das Bild unsrer Kirche nach außen hin ist.
Dabei hat unser Herr Jesus Christ
uns doch deutlich gezeigt in seinem Leben
und uns so viele Beispiele gegeben,
dass Scheitern nicht das Schlimmste ist.
Schlimm ist, wenn man es mit List
bestreitet und zu verbergen sucht,
denn das hat Jesus damals verflucht.
Wenn man die Fehler der Vergangenheit
und so manche Schuld in der jetzigen Zeit
nicht schönreden würde oder verstecken
dann würde die Welt weniger aufschrecken
wenn wieder einmal ein Detail wurd' geklärt
und von den Medien ans Tageslicht gezerrt.
Jesus will keine Scheinheiligkeit.
Überzeugend sind wir durch Ehrlichkeit.
Und ehrlich ist, wer zugesteht,
dass auch unsre Kirche aus Sündern besteht.
Und auch, wenn mancher davon spricht:
anders war das alles früher auch nicht.
Vieles hat man damals halt nicht erfahren,
nicht einmal nach Dutzenden von Jahren.
Die Menschen sind damals nicht besser gewesen.
Auch wenn man noch so oft heute kann lesen,
dass es so viele Scheidungen etwa damals nicht gab.
So einfach kauf' ich das niemandem ab.
Sicher: wenige Ehen wurden getrennt,
aber den Grund dafür man doch kennt:
Wie viele Ehen mögen gehalten haben,
weil halt zu allem "Ja und Amen",
die Frauen damals mussten sagen,
was anderes konnte doch niemand wagen.
So manche Ehe gehalten haben mag,
weil die Frau geschwiegen hat, Tag für Tag.
Ich denke, wenn wir es nüchtern besehen,
dann wird man am Ende durchaus verstehen,
dass die Menschen damals kaum besser waren,
als sie es sind in unseren Jahren.
Wir sind als Menschen was wir sind,
Egal ob Mann, ob Frau, ob Kind.
Und keiner von uns muss sich verstecken,
denn jeder hat irgendwo Dreck am Stecken.
Vor unserem Herrgott brauchen wir uns nicht zu verstellen -
der kennt uns, auch mit den finstersten Stellen.
Drum spielen wir auch einander nichts vor.
Wer das tut, der ist letztlich nämlich ein Tor.
Jesus mahnt uns zur Ehrlichkeit,
und sagt uns im Evangelium heut:
Euer "Ja" sei ein "Ja", das "Nein" ein "Nein",
alles andere sollte einfach nicht sein.
Wenn einer jetzt aber glaubt,
das alles habe ja überhaupt
mit ihm selber nichts tun
weil er dagegen recht immun
und eigentlich doch fehlerfrei sei,
dann bitte ich ihn ganz einfach herbei.
Er möge schauen in des Spiegels Rahmen,
denn wie es wirklich ist, das zeigt er dann. Amen.
(gehalten am 13./14. Februar 1999 in der Peterskirche, Bruchsal)