Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
3. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 4,12-17)
Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali. Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist: Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen. Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. (Mt 4,12-17)
Das Ziel ist nahe, nur noch ein kurzes Stück, also volle Kraft voraus!
Liebe Schwestern und Brüder,
so gehört sich das, so entspricht das unserer Erfahrung. Wenn man auf einer Wanderung das Ziel schon vor Augen hat, dann geht man schneller, dann beeilt man sich, tut alles, nur nicht noch einmal umkehren.
Jesu Wort steht wieder einmal gegen alles, was uns vertraut ist. Er spricht entgegen aller menschlichen Logik, all unserer Erfahrung. Wie kann ein Ziel nahe sein, wenn man dazu erst umkehren muss? Wie kann man einem Ziel nahegekommen sein, wenn man zuvor in die falsche Richtung gelaufen ist? Das ist doch völlig unmöglich.
Das geht eigentlich nur, wenn uns das Ziel förmlich hinterhergelaufen ist, wenn wir mit all unseren Bemühungen, vorwärts zu kommen, uns eigentlich vom Ziel wegbewegt haben, uns das Ziel aber beständig hinterhergelaufen ist.
So komisch und grotesk das auch klingt, vermutlich kann man unsere Situation und unser Verhältnis zu Gott gar nicht besser beschreiben. Wir laufen förmlich vor ihm davon und er rennt uns seit Menschengedenken hinterher.
Kehrt um, das Reich Gottes, Gott ist nahe! Nur nicht dort, wo ihr ihn sucht. Ihr braucht nur umzukehren!
Natürlich denken bei Umkehr die meisten von uns gleich an das, was sie in der Schule gelernt haben, an das, was sie über Sünde gehört haben. Das hat was mit Moral, mit Sitte und Anstand und vor allem mit Sexualität zu tun. Jesus meint aber viel, viel mehr.
Ihm geht es um alle Bereiche, in denen Menschen in die falsche Richtung laufen. Ihm geht es um unsere ganze Gesellschaft, die nur auf schneller, höher und weiter setzt und alle, die nicht mehr mithalten können von vornherein an die Wand drückt. Ihm geht es um Wirtschaften, das einzig und allein auf Wachstum aus ist und gar nicht zur Kenntnis nimmt, dass unkontrolliertes Wachstum unweigerlich in den Zusammenbruch führt. Ihm geht es um Politik, die letztlich nur den Interessen der Großen dient und das auf Kosten der Kleinen und Kleinsten. Und er meint damit genauso eine Kirchenpolitik, in der es zuerst um Macht und Einfluss, um Ansehen und Ämter, Karriere und Prestige geht und die eigentliche Botschaft auf der Strecke bleibt. Er meint alle Bereiche, in denen Menschen mit Volldampf in die falsche Richtung rennen. Und wie viele sind das heute! Wo überall bräuchte es Umkehr im Sinne Jesu, einen wirklich radikalen Kurswechsel und nicht nur die Einsicht, sondern dann auch den Mut, es wirklich zu tun.
Jesus fordert heute wieder dazu auf. Reißt das Ruder herum, Kehrt um! Das, was ihr wirklich sucht, ist nämlich gar nicht weit von euch entfernt. Ihr sucht es nur in der falschen Richtung.
Das ist Mahnung für all die, die immer noch mit Volldampf ins Abstellgleis hineinrasen und gar nicht merken, dass sie auf dem falschen Gleis sind.
Und es ist Verheißung für alle, die längst unter den Folgen dieser Gangart leiden, die jetzt schon nicht mehr weiter wissen, keinen Ausweg mehr sehen und spüren, dass wir schon längst in Sackgassen stecken.
Für sie alle ist das eine frohe Botschaft. Wir brauchen nicht zu verzweifeln. Es gibt nämlich einen Ausweg, es gibt immer noch eine Perspektive, auch wenn wir sie schon längst nicht mehr sehen. Wir brauchen uns nur umzudrehen. Wenn wir das Ziel schon nicht mehr erkennen können, wenn wir Gott in all dem, was um uns herum geschieht, schon lange nicht mehr sehen, wenn wir ihn suchen und nicht mehr finden können, wir brauchen uns meist nur umzudrehen, er nämlich ist uns gefolgt.
Wenn wir ihn auch nicht zu erreichen meinen, er hat uns nie im Stich gelassen, denn das Gottesreich, Gott selber, er ist uns nahe. Meist steht er schon längst hinter uns.
Amen.
(gehalten am 25./26. Januar 2014 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)