Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
1.-4. Adventssonntag - Lesejahr A-C
Denn verschlossen war das Tor...
Liebe Schwestern und Brüder,
das habe ich jetzt schon zwei Mal erlebt!
Das erste Mal stand ich vor verschlossenen Toren, als ich an einem Dienstag dort gewesen bin, in Auxerre, einer Stadt in Burgund, deren Kirche St. Germain eine Krypta mit wohl den ältesten karolingischen Wandmalereien Frankreichs beherbergt. Wer rechnet denn auch schon damit, dass das Museum, zu dem die alte Klosteranlage mittlerweile wurde, auch gerade am Dienstag geschlossen ist.
Das nächste Mal bin ich deshalb auch an einem Mittwoch hingefahren. Das heißt, ich habe die Fahrt extra unterbrochen und einen Umweg eingelegt, so dass es mir noch gut vor 18 Uhr reichen musste - denn das wusste ich jetzt: bis 18 Uhr hatte das Museum geöffnet. Ins Museum kam ich dieses Mal auch hinein - nur nicht in die Krypta, denn die schloss bereits eine Stunde früher. Als ich ankam drehte der Aufseher gerade den Schlüssel im Schloss herum.
"Fermé" sagte er nur. Und es half kein Bitten und kein Betteln. Nicht einmal, dass ich ihm für einen kurzen Moment sogar 20 Euro gegeben hätte. Ich hätte ja nur kurz, nur fünf Minuten einen Blick darauf werfen wollen - er sagte aber nur: "Non, fermé".
Seither kenne ich das Gefühl, vor einer Tür zu stehen, die gerade ins Schloss gefallen ist. Und seither weiß ich auch, was das für ein Gefühl sein muss, wenn da einer eine solche Türe öffnet. Wenn man dasteht und nichts bewegt sich und dann gehen plötzlich die Türen auf.
Wenn Sie es selbst schon einmal erlebt haben, dann werden Sie ermessen können, was da für Gefühle mit verbunden sind, mit solchen sich öffnenden Türen. Was war das für ein Gefühl, als damals das Tor im Eisernen Vorhang sich öffnete.
Das größte Tor aber hat Christus geöffnet. Dieses Tor war auch verschlossen. Wir Menschen hatten es zugeschlagen. Wir hatten uns selbst ausgesperrt.
Verschlossen war das Tor, bis der Heiland trat hervor.
Versuchen wir in diesen Tagen, diese Botschaft wieder ganz neu zu verinnerlichen. Versuchen wir uns das Gefühl vor Augen zu halten, vor verschlossenen Toren zu stehen, um ermessen zu können, was das Geschenk der Weihnacht letztlich bedeutet.
Aber bleiben wir nicht dabei. Fangen wir dann selbst damit an. Machen wirs diesem Christus nach, dort wo wir es vermögen. Stoßen wir Türen auf, Türen vor denen andere Menschen stehen bleiben, wenn wir sie ihnen nicht öffnen.
Vielleicht liegt es da und dort ja nur an uns, Menschen, denen eine Tür versperrt ist, beim Hindurchschreiten zu helfen. Vielleicht wartet jemand genau darauf, dass ich eine Türe öffne, die ihm allein zu öffnen einfach verwehrt ist.
Und wer weiß, vielleicht finde ich dann ja auch einmal so jemanden, bei meinem nächsten Anlauf dann, wenn ich wieder einmal in Auxerre sein werde, vielleicht gibt es dann ja wirklich einmal jemanden, der mir dort die Tür öffnet.
Amen.
(gehalten am 18./19. Dezember 2010 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)