Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Ostersonntag
Leiden und Sterben - alles überschattet der Tod am Karfreitag. Und dieser Schatten hängt auch über dem Ostersonntag.
Liebe Schwestern und Brüder,
was wir da an Auferstehungsfreude und Halleluja-Stimmung der Jünger im Evangelium präsentiert bekommen, ist schließlich aus der Rückschau geschildert. Im Nachhinein betrachtet hat sich alles zum Guten gewendet. Aus der Situation selbst heraus hatte die Zuversicht allerdings noch wenig Chancen.
Das Markusevangelium lässt noch erkennen, dass kaum einer der Jünger am Ostersonntag noch in Jerusalem gewesen sein dürfte. Sie waren auf der Flucht, sie sind abgehauen nach Galiläa - voll Not und Zweifel. Not und Zweifel, das war die Stimmung am ersten Ostertag.
Vielleicht ist das ja auch die beste Beschreibung der Stimmung, die sich bei mir am diesjährigen Osterfest breit macht. So richtiger Osterjubel will augenblicklich nämlich gar nicht aufkommen. Zu sehr überschatten für mich Leiden, Sterben und Tod auch diese Feiertage.
Auf die Frage, wie es mir denn gehe, antworte ich in letzter Zeit häufig: Wenn ich keine Nachrichten schaue, dann geht es mir sehr gut! Manchmal will ich es schon gar nicht mehr hören, was mir da wieder an neuen Katastrophen präsentiert wird.
Noch nie hatte ich das Gefühl, dass die Welt, wie ich sie kennengelernt habe, so aus den Fugen geraten ist, wie das augenblicklich der Fall ist. Hatten wir nicht einmal davon geträumt, dass man aus Schwertern Pflugscharen schmieden würde? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie überall in den Medien von Abrüstung gesprochen wurde. Das klingt heute wie Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit.
Manchmal überkommt mich das Gefühl, dass die Gesellschaft, wie ich sie in meiner Kindheit erlebt habe, regelrecht im Sterben liegt.
Und wie viel ist in den vergangenen Jahren ja auch tatsächlich bereits gestorben. An die Stelle von Tatsachen und Fakten ist so etwas wie eine gefühlte Wirklichkeit getreten. Immer mehr Menschen scheinen sich die Dinge so zurechtzubasteln wie es Ihnen gerade gefällt.
Und dass die Welt eben kompliziert und die Zusammenhänge komplex sind, dass es keine schnellen und einfachen Lösungen gibt, das scheint in diese selbst gebastelten Weltbilder häufig einfach nicht zu passen. Da ist dann auch kein Platz mehr für differenzierte Betrachtungen, ausführliche Erklärungen und sachliche Argumente. Das Feld beherrschen diejenigen, die Parolen dreschen und vermeintlich billige Lösungen parat haben.
Das geht dann so weit, dass selbst diejenigen, die ich eigentlich ernst nehmen möchte, auch glauben, zu solch billigen Parolen greifen zu müssen, weil sie meinen, anders kein Gehör mehr zu finden.
Wie oft habe ich im zurückliegenden Wahlkampf den Kopf geschüttelt. Das sind intelligente Menschen. Es kann mir niemand weismachen, dass die das, was sie da erzählt haben, tatsächlich selbst glauben würden.
Mit das erste, was in den letzten Jahren offenbar gestorben ist, sind Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit. Und wir stehen offenbar vor einer Zeit, in der diejenigen allein das Sagen haben, die ausschließlich an sich selbst denken, denen das Leid der anderen und die Mitmenschlichkeit völlig am Hut vorbeigehen. Für Empathie gäbe es keinen Platz mehr.
Für all das aber steht dieser Jesus von Nazareth. Dafür hat er gelebt, dafür hat er gestritten, dafür ist er den Weg ans Kreuz gegangen. Jesus Christus steht für all das, was mir im Augenblick zu entschwinden scheint.
Es ist nicht der Auferstehungsjubel, der mich am heutigen Tag erfüllt. Vom Jubel bin ich heute wohl genauso weit entfernt, wie die Jünger damals am dritten Tag nach der Hinrichtung am Kreuz. Es ist nicht der Auferstehungsjubel - mich erfüllt heute viele mehr so etwas wie Auferstehungshoffnung.
Herr Jesus Christus, Dein Leben, Dein Leiden und Dein Sterben können nicht umsonst gewesen sein! So wie die Jünger in den Wochen und Monaten nach dem ersten Osterfest erleben und erfahren durften, dass Du tatsächlich den Tod überwunden und das Leben neu errungen hast, so hoffe ich, dass auch wir erleben dürfen, dass am Ende die Menschlichkeit die größeren Kreise zieht, dass sich Menschen von der Wahrheit packen lassen und nicht weiterhin in Scharen lautstarken Brunnenvergiftern hinterlaufen.
Ich hoffe darauf, dass das Leben, wie Du es uns vorgelebt hast, neu Auferstehung feiert und unsere Gesellschaft wieder in den bunten Farben färbt, die den Ostertag und den Frühling eigentlich prägen.
Ich weiß, unsere Verstorbenen können und müssen wir letztlich getrost in Gottes Hände legen. Er allein kann sich ihrer annehmen. Und er hat versprochen, dass er es auch tut.
Dass sich das Leben in unserer Gesellschaft aber neue Bahn bricht, das liegt ein gutes Stück weit an uns. Das liegt an Ihnen genauso wie an mir.
Aber ich hoffe so auf Gottes Unterstützung, auf Gottes Hilfe. Ohne Ihn werden wir es nicht schaffen.
Denn an Deinem Segen, Herr und Gott, an diesem Segen ist letztlich alles gelegen.
Amen.
(gehalten am 20. April 2025 in den Kirchen St. Marien, Ettenheim-Ettenheimweiler und St. Bartholomäus, Ettenheim)