Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


26. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C (Am 6,1a. 4-7)

Weh den Sorglosen auf dem Zion und den Selbstsicheren auf dem Berg von Samaria. Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und faulenzt auf euren Polstern. Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde und Mastkälber aus dem Stall. Ihr grölt zum Klang der Harfe, ihr wollt Lieder erfinden wie David. Ihr trinkt den Wein aus großen Humpen, ihr salbt euch mit dem feinsten Öl und sorgt euch nicht über den Untergang Josefs. Darum müssen sie jetzt in die Verbannung, allen Verbannten voran. Das Fest der Faulenzer ist nun vorbei (Am 6,1a. 4-7)

"Pack dich, Seher, ab ins Land Juda, wo Du hergekommen bist, iss dort Dein Brot und tritt dort als Prophet auf!" ruft ihm Amazja, der Priester von Bet-El, hinterher, als er ihn in hohem Bogen aus dem Reichstempel hinauswarf: den Amos nämlich, jenen Viehzüchter mit seinen paar Maulbeerfeigenbäumen, den Jahwe von der Herde weg zum Propheten berufen hatte.

In den glanzvollen Tagen des Königs Jerobeam war dieser Bauer aus Tekoa an der Grenze zur Wüste Juda, unweit von Jerusalem, hinaufgezogen ins Nordreich Israel, das damals eine politische und vor allem wirtschaftliche Blütezeit erlebte.

Und er begann dort mit seinen markigen, ungeschliffenen und bäuerlich derben Worten im Namen Gottes zu predigen. Er begann zu sagen, was eigentlich niemand hören wollte.

Liebe Schwestern und Brüder,

das will man doch auch nicht gesagt bekommen, dass man auf Kosten anderer lebt. Wer will schon hören, dass er den eigenen Wohlstand nur der Tatsache verdankt, dass er andere ausnutzt und ausbeutet?

Hören hat das keiner gewollt. Aber das war dem Amos auch leidlich egal. Er hat den Finger deutlich in die Wunde gelegt.

In jenem Abschnitt, der letzten Sonntag als Lesung vorgesehen war, brandmarkt er das unverantwortliche Verhalten der israelitischen "Konzerne" seiner Zeit, die es offenbar nicht abwarten konnten, dass der Festtag und der Sabbat vorüber war, um wieder neuen Profit machen zu können, Profit mit gefälschtem Gewicht, mit künstlich hochgehaltenen Preisen und selbst mit Gammelgetreide.

In der heutigen Lesung führt er das Treiben der oberen Zehntausend vor Augen, die - während die Leute vor den Palästen darben und ein Menschenleben offenbar nichts mehr zählt - sich selbst die fettesten Lämmer für ihre Feste holen lassen, auf ihren Polstern liegen und dann auch noch meinen, dass es hitparadenverdächtig sei, was sie besoffen zum Klang der Harfen vor sich hin grölen.

Und den vornehmen Frauen seiner Zeit - was für die Lesung im Sonntags-Gottesdienst wie so vieles aus dem Buch Amos leider als wohl zu derb ausgeklammert wurde - den vornehmen Frauen wirft er an den Kopf, dass sie trotz all ihrer Schminke und all ihres übertriebenen Schmucks doch nur wie die fetten Kühe von Baschan aussehen würden.

Er nimmt kein Blatt vor den Mund und er macht überdeutlich, wo das Ganze hinführen wird.

Jahwe interessierte es nicht, dass man den Reichstempel in Bet-El mit aller Pracht und allem Prunk zu dem man imstande war, hatte ausstatten lassen. Wo man das Recht der Menschen so mit Füßen trat, konnte man noch so viele religiöse Feste und Feiern veranstalten, noch so viele Gottesdienste ausrufen und alle Bräuche und Riten nach außen hin hochhalten.

Jahwe wird diesem Fest der Faulenzer ein Ende bereiten.

Denn alle religiöse Praxis, alles ist nichts, wenn es nicht einhergeht mit Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit ist für die Bibel immer und in erster Linie die soziale Gerechtigkeit.

Und die ist Gott offenbar so wichtig, dass der erste Prophet, dessen Botschaft schriftlich fixiert wurde, dessen Worte uns als heilige Schrift in einem eigenen Buch überliefert worden sind, dass der erste sogenannte Schriftprophet, den Gott zu seinem Volk gesandt hat, nicht den Gottesdienst, nicht die wahre Gottesverehrung und auch nicht Einhaltung religiöser Gebote gefordert hat.

Der erste Schriftprophet, trat ganz im Zeichen sozialer Gerechtigkeit auf. Und er machte Israel deutlich, dass ohne sie, dass ohne dieses Bewusstsein, dass alle Menschen für das Wohl jedes einzelnen gemeinsam Verantwortung tragen, dass ohne den Menschendienst aller Gottesdienst am Ende leer und hohl ist.

Amazja, der Priester von Bet-El - heute würde man sagen, der dortige Bischof -, hat den Propheten aus dem Tempel gejagt. Der König, und seine Minister, sie haben ihn aus dem Land geworfen.

Was man wohl heute mit ihm machen würde?

Pack dich, Seher, geh dorthin, wo Du hergekommen bist ...

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 29./30. September 2007, in den Kirchen der Seelsorgeeinheit St. Peter, Bruchsal)