Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
7. Sonntag der Osterzeit - Lesejahr C (Apg 7,55-60)
Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen und rief: Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen. Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu, stürmten gemeinsam auf ihn los, trieben ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Kleider zu Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. So steinigten sie Stephanus; er aber betete und rief: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Dann sank er in die Knie und schrie laut: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Nach diesen Worten starb er. (Apg 7,55-60)
Wenn ein Stein fliegt, dann zieht man unwillkürlich und ohne zu überlegen, ganz schnell und instinktiv den Kopf ein.
Und manche Steine fliegen auch nur deshalb, damit andere genau das tun. Manchmal ist ja schon das der Grund, weshalb ein Stein geworfen wird.
Nicht immer sollen Steine, so wie beim Stephanus aus der heutigen Lesung, ja gleich töten. Manchmal fliegen Steine schon, um genau das zu erreichen: dass andere sich ducken, den Kopf einziehen, und wieder klein beigeben.
Liebe Schwestern und Brüder,
das scheint mir sogar die Regel zu sein. Steinewerfer wollen nur in seltenen Ausnahmefällen den Tod. Meist wollen sie erreichen, dass Menschen wieder zurück ins Glied treten, spuren und mit ihren Ansichten nicht mehr auffallen. Und da reicht es meist schon zur Warnung ein paar Steine zu werfen, denn instinktiv ziehen fast alle den Kopf dann ganz schnell wieder ein.
Aber nicht immer.
Manchmal halten Menschen auch den Kopf hin. Manchmal gibt es Dinge, da können die dicksten Brocken fliegen, und Menschen bleiben aufrecht stehen. Sie stehen hin, weil ihnen das, um was es jetzt geht, wichtiger ist als unversehrt aus einer Auseinandersetzung hervorzugehen.
Mütter zum Beispiel; Mütter geben selten klein bei, wenn es um ihre Kinder geht.
Und die Geschichte unserer Kirche ist voll von Menschen, die für ihre Überzeugung den Kopf hingehalten haben.
Wann tue ich es? Wofür würde ich in Kauf nehmen, Blessuren davonzutragen? Wofür würde ich mich steinigen lassen?
Viel wäre es wahrscheinlich nicht. Vermutlich würde auch ich zuallererst den Kopf einziehen. Man hat schließlich nur einen.
Aber ich glaube, dass es Menschen gäbe, für die ich hinstehen würde - weil sie mir wichtig sind und weil ich nicht zulassen würde, dass ihnen Unrecht geschieht.
Und wenn man mich zwingen wollte, Dinge zu tun oder zu vertreten, hinter denen ich nicht stehen könnte, die ich für falsch halte oder gar gefährlich, da müssten schon sehr dicke Brocken angeflogen kommen, bevor ich da klein beigeben würde.
Ich hoffe es zumindest. Ich hoffe ganz arg, dass ich da dann, den Mut hätte, wirklich hinzustehen.
Denn eines ist mir wichtig geworden: In den Spiegel möchte ich morgens schauen können. Denn nur, wenn ich vor mir selbst, vor meinem Gewissen bestehen kann, nur dann kann ich auch vor Gott bestehen. Denn das hat mir Jesus Christus klar gemacht: Nicht wer die dicksten Steine wirft, wird sich am Ende durchsetzen. Wer dann aufrecht und mit hoch erhobenem Kopf da stehen wird, das entscheidet Gott allein.
Darauf will ich bauen und von daher will ich um die Kraft beten, dass ich im entscheidenden Moment nicht klein beigeben werde, nicht Ja und Amen sagen sondern für die Freiheit, den Mitmenschen, Gerechtigkeit und Menschenwürde eintreten werde - denn das heißt im Letzten für meinen Glauben, für meinen Gott eintreten.
Amen.
(gehalten am 22./23. Mai 2004 in den Kirchen der Seelsorgeeinheit St. Peter, Bruchsal)