Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Pfingstsonntag (Apg 2,1-11)
Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elsamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von ägypten und dem Gebiet Lybiens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber, wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. (Apg 2,1-11)
Flammen haben eine unheimliche Kraft. Und wenn sie erst einmal um sich gegriffen haben, wenn sie kräftig Nahrung finden, dann sind sie nur noch ganz schwer zu stoppen. Und manchmal werden sie so gewaltig, dass sie durch nichts mehr aufzuhalten sind.
Wer das Flammenmeer des 1. März 1945 in Bruchsal zum Beispiel noch vor Augen hat, der wird wohl mit am besten nachvollziehen können, was das im Letzten heißt, welche Gewalt, welche oft unheimliche und unbeherrschbare Macht Feuer letztlich besitzt.
Liebe Schwestern und Brüder,
so mächtig und so gewaltig Feuer aber auch sein mag, so schwierig und mühsam ist es auf der anderen Seite ein solches Feuer anzuzünden.
Und ich rede jetzt nicht einmal von einem Lagerfeuer, einem Feuer draußen im Freien - schon gar nicht ohne Streichhölzer oder Feuerzeug. Schon so etwas wie eine Kerze kann einen manchmal zur Verzweiflung bringen.
Unsere Ministranten können da ein Lied von singen, bei jedem "großen Einzug" etwa. Da kann das Streichholz völlig in Ordnung sein und der Docht lang genug, wenn es auch nur etwas windig ist, dann wird das Anzünden zum kleinen Abenteuer. Und wenn dann sogar richtig starker Wind weht, dann bringen Sie eine Kerze unmöglich zum Brennen.
So unbeherrschbar und gewaltig ein Feuer am Ende werden kann, so furchteinflößend seine Gewalt auch sein mag, wenn es angezündet werden soll, ist jeder Lufthauch mächtiger, macht jeder kleine Windstoß auch den hoffnungsvollsten Anfang gleich wieder zunichte.
Das dürfte für jedes Feuer gelten - auch für das Feuer des Heiligen Geistes.
"Der Geist des Herrn erfüllt das All mit Sturm und Feuersgluten", haben wir eingangs gesungen, "Der Geist des Herrn durchweht die Welt, gewaltig und unbändig."
Dort, wo dieses Feuer einmal Fuß gefasst hat, wo es Nahrung gefunden hat, dort wird es wohl in dieser Weise, gewaltig und unbändig, um sich greifen. Aber sonst wird es den Feuerzungen des Heiligen Geistes auch nicht anders gehen als jedem anderen Feuer auch.
Dort nämlich, wo es noch nicht zur großen Feuersbrunst geworden ist, wo es erst angezündet werden soll, wo vom Geist gar nicht viel zu erleben ist, weil er eigentlich erst wieder ganz neu ansetzen müsste, dort ist von einer gewaltigen Macht nicht viel zu spüren.
Und genau diese Situation finden wir heute ja gemeinhin vor. Es ist ja nicht so, dass bei uns die ganze Welt vor Geist und Begeisterung nur so sprühen würde. Die Flammen des Geistes wollen vielfach ja erst wieder neu angezündet werden. Wo Feuer aber erst angezündet werden muss, da ist es äußerst verletzlich und sehr schnell wieder ausgelöscht. Und eines kann man dort am allerwenigsten brauchen: Wind nämlich. Wind kann man beim Anzünden von Flammen zuallerletzt brauchen.
Es ist sehr windig hier.
Um Flammen anzuzünden, ein Feuer zu entzünden, dazu ist viel zu viel Wirbel unter uns. Jeder, der in solch einer Situation schon einmal eine Kerze anzuzünden versucht hat, der weiß das: Wo es so windig, so turbulent zugeht, ist das mit dem Kerzenanzünden schon fast vergebliche Liebesmüh. Wenigstens einen kurzen Augenblick lang sollte es da windstill sein, ruhig sein.
Und deshalb finde ich die wichtigste und vielleicht bedeutendste Aussage für den heutigen Tag nicht in jenem Lied, das wir eingangs gesungen haben. Die bringt für mich vielmehr ein anderes Lied zum Ausdruck, eines, das zugegebenermaßen nicht so festlich und mitreißend ist, aber vielleicht deshalb umso wichtiger.
"Komm, o Tröster, Heilger Geist," heißt es da, "Licht, das uns den Tag verheißt, Quell, der uns mit Gaben speist," Und dann geht es weiter: "komm und lindre unsre Last, komm, gib in der Mühsal Rast, komm, sei bei uns Armen Gast."
Gib in der Mühsal Rast - oder, wie es in der Pfingstsequenz heißt: "In der Unrast schenkst du Ruh", das ist für mich eine der entscheidendsten Bitten und Zusagen des Pfingstfestes in diesem Jahr.
Erst einmal muss wieder ein wenig Ruhe einkehren - Ruhe, Windstille -, damit Feuer entfacht werden kann. Erst einmal müssen wir wieder ein wenig Abstand bekommen, Abstand vom alltäglichen Trubel, um für Feuer wieder empfänglich zu sein.
Viele von Ihnen haben in den nächsten Tagen noch Urlaub, und andere, die keinen Urlaub haben, haben es trotzdem ein wenig ruhiger, weil viele eben weg sind und einige Termine in dieser Woche urlaubsbedingt nicht stattfinden. Nutzen wir diese Tage, um wirklich Ruhe zu finden, jene Windstille, die nötig ist, damit Feuer neu entfacht werden kann, damit am Ende wirklich der Geist des Herrn das All und auch uns durchweht und Gottes Reich lebendig wird.
Amen.
(gehalten am 2./3. Juni 2001 in der Peters- und Pauluskirche Bruchsal)