Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
1. Adventssonntag - Lesejahr A (Jes 2,1-5)
Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat. Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg. Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg. Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn. (Jes 2,1-5)
Wäre Gott amerikanischer Präsident, er würde vermutlich eine Mauer bauen, eine hohe, eine schöne, eine unüberwindliche Mauer. Und er würde sich damit die Fremden vom Hals halten.
Wäre Gott deutsche Politikerin, er würde wohl darüber nachdenken, ob man nicht auch schießen lassen könne. Er würde über den Einsatz der Bundeswehr auch im Inneren sinnieren, um gegen die vielen Fremden gewappnet zu sein.
Letztlich würde er wohl wieder aus Pflugscharen Schwerter schmieden lassen - einfach für alle Fälle.
Liebe Schwestern und Brüder,
zum Glück ist Gott weder amerikanischer Präsident noch Politiker - er ist einfach Gott. Und deshalb denkt er anders. Deshalb reißt er alle Mauern nieder und hofft darauf, dass - wenigstens - am Ende der Tage alle Völker und wirklich alle auf seinem fest gegründeten Berg zusammenströmen - so, wie es uns dieses Bild von der endzeitlichen Völkerwallfahrt zum Zion an diesem ersten Adventssonntag in der ersten Lesung vor Augen führt.
Das ist - in den Augen der meisten - kein wirklicher Adventstext, so wie es in den Texten der Liturgie heute eigentlich nirgendwo Adventsstimmung gibt - zumindest keine, wie wir sie uns gemeinhin vorstellen. Die Texte sprechen heute vom Ende, vom Zusammenbruch der Welt und dem Ende all dessen was wir uns so denken. Sie zeichnen ein richtiges Schreckensszenario.
Und für so manchen und manche gehört da wahrscheinlich der Text aus dem Jeajabuch, die Vorstellung von den Völkern, die alle aufbrechen um an einen einzigen Ort zu strömen, auch dazu, auch zu diesen Schreckensszenarien.
In der Botschaft der Propheten aber ist das eine Heilsverheißung. In den Augen Gottes ist genau das das Ziel der Welt und ihrer Geschichte. Alle Grenzen werden überwunden, alle Mauern eingerissen und jeder Hass beseitigt. Die Menschen finden zueinander, es gibt weder Rassen noch Hautfarben, weder Völker noch Staaten. Es gibt nur noch die große Menschheitsfamilie, die sich auf Gottes Berg versammelt.
Manchem schaudert bei diesem Gedanken; er wird nach der eigenen Identität fragen und Angst vor Überfremdung wird ihn überkommen, für manche kommt das einem Alptraum gleich. Für Gott aber ist das das Ziel, das Ziel der Geschichte und Hoffnung für diese Welt. Und überall, wo sich Fremde wirklich begegnen, beginnt schon etwas von dieser Zukunft, die Jesus Christus Reich Gottes nennt.
Wenn wir wirklich Gott den Weg bereiten wollen, dann werden wir kaum daran vorbeikommen, dann müssen wir uns öffnen für diese Sicht auf die Welt, für diese Vision von Zukunft. Und wie wir damit beginnen können, das schreibt der Prophet Jesaja nicht nur den Menschen seiner Zeit ins Stammbuch.
Es ist nicht für eine längst vergangene Zeit bestimmt, dieses Wort von den Schwertern, die zu Pflugscharen geschmiedet werden sollen. Es ist genauso aktuell, wie es zu allen Zeiten aktuell gewesen ist.
Und sagen Sie nicht zu schnell, Sie wüssten von gar keinen Schwertern in ihrer Umgebung, die sie jetzt umschmieden könnten. Schwerter müssen nicht unbedingt aus Stahl gefertigt sein. Manchmal bestehen Schwerter schon aus ganz einfachen Worten.
Und wenn Sie da nur mal in den Bekanntenkreis hineinschauen, ich wäre nicht überrascht, wenn Sie da manches scharfe Schwert finden! Im Augenblick kämen die Schmiede mit Umschmieden vermutlich gar nicht mehr nach: Bei all den Kraftsprüchen bei Demonstrationen, den hasserfüllten Mails und Facebook-Einträgen, die wie Stiche ins Herz sind, oder den Stammtischparolen über Fremde und Ausländer, mit denen Christus gleichsam noch einmal ans Kreuz geschlagen wird.
Sorgen wir dafür, überall wo wir Zeugen davon werden, wie Menschen solche Schwerter auspacken, dass sie umgeschmiedet - und wo uns das nicht gleich gelingt, dass sie doch wenigstens stumpf gemacht werden. Denn dann, eigentlich erst dann, kann wahrhaftig, kann wirklich Weihnachten werden.
Amen.
(gehalten am 27. November 2016 in der Kirche St. Martin, Karlsruhe)