Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
32. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 25,1-13)
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich wird es sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen. Fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen außer den Lampen noch Öl in Krügen mit. Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein. Mitten in der Nacht aber hörte man plötzlich laute Rufe: Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen! Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht. Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus. Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es weder für uns noch für euch; geht doch zu den Händlern und kauft, was ihr braucht. Während sie noch unterwegs waren, um das Öl zu kaufen, kam der Bräutigam; die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal, und die Tür wurde zugeschlossen. Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf! Er aber antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde. (Mt 25,1-13)
Liebe Schwestern und Brüder,
heute hätte ich am liebsten überhaupt nicht gepredigt. Und das liegt jetzt nicht an Ihnen und auch nicht an St. Hedwig. Das liegt einzig und allein am heutigen Evangelium.
Mit diesem Text habe ich nämlich schon seit jeher meine Schwierigkeiten. Und das merkt man wohl schon daran, dass es jetzt schon 27 Jahre her ist, dass ich das letzte Mal etwas zu dieser Stelle gesagt habe. Seither gab es glücklicherweise immer irgendeine Besonderheit, so dass die klugen und törichten Jungfrauen stets irgendwie an mir vorübergegangen sind. Und das war mir immer sehr recht.
Schon das mit den törichten Jungfrauen kann man heutzutage doch eigentlich nicht mehr bringen. Nicht wenige Frauen fühlen sich da - und letztlich auch zu Recht - bereits angegriffen.
Und wenn das ein Aufsatz wäre, den der Evangelist hier abgeliefert hätte, und ich den jetzt korrigieren müsste, ich hätte da eine Fülle von Dingen anzustreichen, die einfach nicht passen wollen.
Als Quintessenz schreibt er, wir sollen wachsam sein, weil wir den Tag und die Stunde nicht kennen. Aber um die Wachsamkeit scheint es in diesem ganzen Text doch gar nicht zu gehen. Da geht es um Öl, das nicht mitgebracht wurde. Und sowohl die törichten als auch die klugen Jungfrauen schlafen in der Geschichte allesamt ein.
Und sollen die klugen Jungfrauen jetzt etwa ein Vorbild sein? Als es darum geht, dass den anderen das Öl nicht reicht, halten die vom Teilen offenbar nicht viel. Und was soll das Argument, dass es für alle am Ende dann nicht reichen würde? Wo bleibt hier der Gedanke der Solidarität? Kann ich mich damit anfreunden, dass diesen ach so Klugen doch offenbar reicht, dass sie es zum Hochzeitsmahl geschafft haben? Was mit den anderen wird, scheint ihnen völlig egal zu sein. Wenn sich Kinder so verhalten würden, würde ich sie zurechtstoßen und ihnen ins Gewissen reden.
Und soll es am Ende vor Gott jetzt doch darum gehen, dass man irgendwelche Leistungen zu erbringen hat? Geht es jetzt als doch darum, dass man nach irgendwelchen Ölvorräten bewertet wird, wo ich doch bisher immer davon ausgehen durfte, dass der Glaube entscheidend ist und Erlösung ein Geschenk und keine Bezahlung für meine eigenen Verdienste?
Wenn ich mich so umschaue, was es an klugen Kommentaren oder auch an Predigtentwürfen zu dieser Stelle gibt, finde ich auch nicht viel Erhellendes dabei. Ein schaler Beigeschmack bleibt für mich immer.
Am instruktivsten fand ich noch die Predigt einer Kollegin, die den Knoten dadurch zu lösen versuchte, dass sie ausführte, die Törichten seien nur deswegen töricht gewesen, weil sie dem Irrtum aufsaßen, das Öl kaufen zu können. Sie hätten einfach warten müssen und darauf vertrauen, dass der Bräutigam sie erkannt und einfach auch ohne brennende Lampen mitgenommen hätte, dann wäre die Türe nämlich nicht ins Schloss gefallen und sie hätten auf diese Weise doch noch am Hochzeitsfest teilnehmen können.
Das steht aber eigentlich nicht da. Das Gleichnis erzählt eine ganz andere Geschichte.
Mit der aber - ich gebe es unumwunden zu - habe ich meine Schwierigkeiten. Und ich möchte deshalb am liebsten allen jungen Frauen und allen alten, allen alten und allen jungen Männern zurufen, und vor allem dem Bräutigam möchte ich es sagen:
Wir lassen uns nicht in Kluge und Törichte auseinanderdividieren! Wir warten gemeinsam und wir halten gemeinsam durch. Und egal, wann Du kommst, wir werden zu diesem Zeitpunkt alle schon irgendwann einmal eingeschlafen sein. Und ob uns das Öl für die Lampen am Ende reichen wird, kann niemand von uns sagen. Aber ich hoffe, ich hoffe ganz fest, dass es darauf dann auch nicht ankommt.
Ich will darauf vertrauen, dass es stimmt, was Du uns verheißen hast: Dass Du mich nämlich kennst und bei meinem Namen gerufen hast. Und dass Du niemanden von uns, niemanden der auf Dich vertraut, am Ende im Stich lassen wirst. Nicht weil wir es verdient hätten oder weil wir so toll wären, sondern weil Du uns liebst.
Und ich werde Dich beim Wort nehmen, dann, wenn die Tür tatsächlich schon zugefallen sein sollte. Ich will darauf vertrauen, dass Dein Wort selbst dann seine Geltung hat, dass es stimmt, wenn Du uns zusagst: "Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet." (Lukas 11,9) - selbst - selbst, wenn ich töricht gewesen sein sollte.
Amen.
(gehalten am 12. November 2017 in der Kirche St. Hedwig, Karlsruhe)