Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Fasnachtssonntag =
4. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (1 Kor 1,26-31)
Seht doch auf eure Berufung, Brüder! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott. Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn; so heißt es schon in der Schrift. (1 Kor 1,26-31)
Wer die Wahl hat, hat die Qual
- oder -
Wenn Menschen wählen und wen Gott wählt...
Da braucht man nicht viel Fantasie.
Eine richtige Demokratie
lebt von wirklich guten Wahlen.
Leicht lässt es sich ja ausmalen,
wie schnell ein Staat am Ende wär',
wenn solche Wahlen nicht mehr fair
nach klaren Regeln durchgeführt werden.
Es gibt genügend Beispiele auf Erden:
Und viele denken wahrscheinlich gleich
an Vorfälle wie zum Vergleich
letzthin in der Ukraine geschehen -
Sie haben vermutlich die Berichte gesehen.
Aber wo man so offensichtlich manipuliert
und die Ergebnisse durchsichtig frisiert,
kann man sich wenigstens noch wehren.
Und den Widerstand dort gilt es zu ehren!
Weit schwieriger aber ist es dann,
wenn man sich gar nicht beschweren kann,
weil eigentlich alles in Ordnung war,
die Wahlen frei, gleich und geheim waren zwar,
aber man dennoch nicht zustande brachte
ein Ergebnis, das der Wahl wirklich Ehre machte.
Wenn nämlich am Ende gerade mal zehn
oder elf Prozent noch zur Wahl dann gehen,
ist ein Staatswesen nicht nur in Not -
eine Demokratie ist dann im Grunde schon tot.
Ganz so schlimm ist es bei uns noch nicht,
aber auf gar nicht so weite Sicht
droht es ganz langsam schon so zu werden.
In großen Scharen und riesigen Herden
kommen die Wähler ja schon lange nicht mehr.
Das ist einerseits bedauerlich sehr.
Andererseits hat er ja seinen Grund,
dieser deutlich spürbare Wählerschwund.
Auch mir geht es mittlerweile ja so,
dass ich mich jedes Mal fragen muss, wo
ich denn jetzt das Kreuz wirklich machen soll.
Die Auswahl ist ja häufig gar nicht so toll.
An den Kandidaten liegt das nicht einmal.
Aber bei dem System unserer Wahl
müssen wir ja zwischen Parteien entscheiden.
Nur, kann man die wirklich noch unterscheiden -
zumindest die großen Volksparteien?
Da sehen doch wir politischen Laien
nur, dass die ein wie die andern bei wichtigen Sachen
am Ende kaum etwas anderes machen.
Das wissen die Parteien in diesem Land,
sie haben dieses Defizit natürlich erkannt.
Deshalb beginnt man sich neu zu profilieren.
Doch da fängt es mich dann erst recht an zu frieren.
Was soll plötzlich all diese Deutschtümelei -
Ich hatte gehofft, das sei endgültig vorbei!
Den deutschen Patriotismus hätten wir verloren
und Deutsche Interessen werden plötzlich beschworen.
Ich bin entsetzt, denn am Deutschen Wesen
sollte schon einmal die Welt genesen.
Da überkommt mich schon heimlicher Groll,
denn davon hab' ich Schnauze gestrichen voll!
Da will man doch ganz unverhohlen
Stimmung machen mit Stammtischparolen.
Führt die Bevölkerung doch nicht hinters Licht.
Leute, so wähl ich euch sicher nicht!
Wenn etwas wichtig wäre für unser Land,
dann wäre es, die riesige Wand,
die noch heute die Menschen hier trennt
und die man stets "die Mauer" nennt,
endgültig in den Köpfen verschwinden zu lassen.
Wo man jetzt schon laut auf den Gassen
hören kann, die Mauer müsse wieder her -
für solch eine Gesellschaft schäme ich mich sehr.
Über vierzig Jahre haben wir die Einheit ersehnt
und jetzt werden die Ossis als Schmarotzer verpönt?
Wir sind doch auf der Sonnenseite gesessen.
Haben wir das schon wieder vergessen?
Und was höre ich da, aus vollen Tönen?
Wir müssten uns an Unterschiede gewöhnen?
Dass es einigen gut geht und nur den anderen schlecht,
dass sei nicht verkehrt, das sei so ganz recht!
Das heißt doch im Klartext nichts anderes als das:
wer im Wohlstand lebt und besitzt etwas
der soll es auch in Zukunft behalten.
Und für den, der nichts hat, bleibt auch alles beim Alten.
Der soll den Gürtel sogar noch enger schnallen.
So hört mans durch Parteizentralen hallen.
Bei den Renten, der Gesundheit und im Sozialen
könnte man schon lange nicht mehr alles bezahlen.
Mit weniger müssten wir uns zufrieden geben,
erzählen uns die Parteistrategen.
Wenn jemand uns zu erklären ist bestrebt,
dass wir über unsere Verhältnisse hätten gelebt,
dann ist das ehrlich, vernünftig, wenn auch nicht toll.
Aber steckt euch dann bitte die Taschen nicht voll,
mit Abfindungen, Vorstandsgehältern und Provisionen,
meine Herren in den verantwortlichen Positionen.
Sonst seid ihr nicht Politiker, vielmehr habgierige Geier,
ob ihr jetzt heißt Hinz oder Kunz oder Meyer.
So nämlich fördert ihr nur noch am Schluss
unter den Menschen den Wahlverdruss.
Wo Menschen aber spüren, dass es um was geht,
und Entscheidendes wirklich auf dem Spiele steht,
wo sie das Gefühl haben, sie können auch was bewegen,
dort werden sie auch künftig die Stimme abgeben.
So wie es in Amerika letzthin geschehen.
Man spürte: Es ist wichtig zur Urne zu gehen.
Nicht nur um den Präsidenten ging es vergangenes Jahr,
es war so etwas wie eine Richtungswahl gar.
Das Ergebnis aber hat mich erschreckt
und ein paar Zweifel an der Demokratie geweckt.
Alle Vorurteile wurden genährt, ja gefüttert
und mein Amerikabild ist endgültig erschüttert.
Vor vier Jahren war es vielleicht noch ein Missgeschick -
jetzt aber zu bestätigen diese Politik,
das ist fast ein Beleg für die alte Blödelei,
dass "vox popoli" "vox Rindvieh" sei.
Alles verziehen wegen eines vermeintlichen Sieges?
Sogar dass da einer über den Grund eines Krieges
die ganze Weltöffentlichkeit belügt
und selbst das eigene Volk betrügt?
In Nürnberg haben sie uns doch gelehrt,
dass wer angreift, ohne dass er sich wehrt,
und ohne dass es wirkliche Gründe gibt,
sich außerhalb des Völkerrechts begibt.
Kriegsverbrecher hat man das damals genannt.
Ich höre seit neuestem in unserem Land,
dass man Ausländer die Verbrechen begehen,
gleich wieder zwingen soll, nach Hause zu gehen.
Das sollte man umsetzen, wenn dieses Jahr
dieser Präsident, wie fest zu stehen scheint offenbar,
zu einem Staatsbesuch nach jenseits des Rheins
zu kommen gedenkt ins goldene Mainz.
Noch bevor er aus dem Flugzeug steigt heraus,
schickt diesen George Dubblejou gleich wieder nach Haus!
Aber trotz solcher Ergebnisse der Demokratie
gab es eine bessere Staatsform wohl nie.
Deshalb wäre es auch für die Kirche ganz recht.
es wäre für sie alles andere als schlecht,
wenn die Strukturen demokratischer wären.
Ich denke, es würde sich bewähren,
wenn die Pfarrer, der Bischof in seinem Dom
und selbst der Papst im heiligen Rom
von den Menschen in den Gemeinden würden gewählt,
wenn die Stimme jedes einzelnen würde gezählt.
Und würden die Christen wirklich gefragt,
vermutlich hätten sie es schon lange gewagt,
und die Grenzen der Konfessionen wären überwunden.
Vor Ort sind sie doch längst schon verschwunden.
Die alten Wunden sind schon lange geheilt.
Der Glaube ist fast eins, unser Herz ungeteilt.
Wenn wir Christen nicht die Einheit vorleben,
wer sollte dann sonst ein Beispiel hier geben.
Vor Gott ist die Einheit doch schon vollzogen,
er hätte die Trennung nicht mal erwogen.
Denn Gott denkt da völlig anders, als wir
immer wieder gibt er Zeugnis dafür.
Unsere ewigen Diskussionen lassen ihn kalt.
Erst recht geht es ihm nie um den Machterhalt.
Er setzt ganz andere Prioritäten
und schaut auf die eigentlichen Qualitäten.
Von ihm können wir deshalb auch ablesen -
bei Paulus ist es zu hören gewesen -
wie man bei Wahlen sich richtig entscheidet.
Die Lesung eben hat so es in Worte gekleidet:
Nicht Mächtige hat Gott erwählt,
nicht die, auf die sonst alle Welt zählt,
nicht die Weisen, die Klugen, die allzu Gescheiten
und diejenigen mit allerlei Eitelkeiten.
Gott wählt die, die sagen, genau was sie denken,
denn die sind geeignet, eine Gemeinschaft zu lenken.
Die, die einfältig, unkompliziert,
ohne Verrenkung und ungeniert
das Notwendige sehen und es auch tun
die für das Richtige einzutreten geruhn;
die, die so verrückt sind, dass sie sich trauen,
zu träumen und auf Visionen zu bauen.
Gott wählt die Narren in dieser Welt,
weil sie immer schon für ganz wenig Geld
den Menschen ganz deutlich den Spiegel vorhielten
und letztendlich genau dadurch erzielten,
dass sich viele wieder von Neuem besannen
auf das, was es zu tun galt, und dann auch begannen
es umzusetzen. - Nur Narren erreichten,
dass sich versteinerte Herzen erweichten.
Denn bei aller Kritik und notwendigen Sachen
brachten sie die Menschen nicht minder zum Lachen.
Das können wir für unser Wählen lernen:
nicht diejenigen, die greifen nach den Sternen
und uns das Blaue vom Himmel erzählen,
sind diejenigen, die es sich lohnt auch zu wählen.
Wer mit beiden Beinen auf dem Boden steht,
wer auch sonst die Anliegen der Menschen versteht,
wer sich die Wahrheit laut auszusprechen traut
und von Reichtum und Machtgier noch nicht ist versaut,
wenn er dann auch noch die Menschen zum Lachen bringt,
so dass man auch mal tanzt und vor Freude singt,
das wäre ein Kandidat wie Gott ihn liebt.
Möge er geben, dass es viele davon gibt.
Und er soll sie uns zeigen - in Gottes Namen -,
damit wir sie wählen - in Ewigkeit. Amen.
(gehalten am 29./30. Januar 2005 in den Kirchen der Seelsorgeeinheit St. Peter, Bruchsal)