Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
23. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 18,15-20)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder Zöllner. Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. (Mt 18,15-20)
Das sind ja keine guten Aussichten für alle, die alleine sind: Er ist dort, wo zwei oder drei versammelt sind, hieß es gerade eben im Evangelium. Und er erhört, was zwei gemeinsam erbitten.
Was aber, wenn es nur einer ist? Was geschieht, wenn ich alleine bitte?
Liebe Schwestern und Brüder,
ich denke, das wissen Sie selbst. Es gibt genügend Stellen an denen Jesus davon spricht, dass Gott bei jedem Einzelnen ist und auf jede Einzelne hört.
Aber trotzdem betont er heute: Wichtig sind zwei oder drei!
Nun, auch hier werden Sie in der Vergangenheit schon einige Erklärungen gehört haben. "Hier geht es um die Gemeinschaft!", heißt es meistens und darum, dass es letztlich auf das Beten in Gemeinschaft - also im Gottesdienst - ankommt. Und zig Predigten handeln dann am Ende davon, dass Sie halt am Sonntag zum Gottesdienst gehen sollen.
Das ist ja alles nicht falsch. Aber ich denke, dass es im heutigen Evangelium um weit mehr geht! Wenn einer alleine betet, muss der andere immer im Blick sein. Darum geht es!
Natürlich meint Jesus nicht, dass ich nicht alleine beten kann. Aber ich muss mir bei allem, was ich mir erbitte, immer die Frage stellen: Ist das jetzt nur für mich oder ist das auch für den anderen gut? Und bitte ich möglicherweise letztlich um etwas, was dem anderen sogar schadet, seine Möglichkeiten einschränkt und sein Leben damit am Ende erschwert.
Wer beim Beten nur sich selbst im Blick hat, wem es letztlich nur um sich selber und seinen eigenen Vorteil geht, der kann das mit dem Beten nämlich eigentlich gleich bleiben lassen. Egoismus fördert dieser Gott nämlich nicht.
Das ist übrigens bei Personen kein bisschen anders als wenn es um Gruppen geht. Wenn ich etwas erbitte, muss ich mir die Frage stellen, ob es meiner Partnerin, meinem Freund ebenfalls guttut oder zumindest keinen Schaden zufügt. Und genauso ist es, wenn ich für unsere Gruppe bitte. Wenn ich für meine Familie etwa bete, meinen Verein, meinen Freundeskreis, dann darf ich nicht erwarten, dass uns Gott darin unterstützt, andere Familien zu übervorteilen, anderen Gruppen das Leben schwer zu machen oder auch nur, allein unsere Interessen zu verfolgen und nach den Bedürfnissen der anderen gar nicht erst zu fragen. Gott lässt sich nicht für Einzelinteressen einspannen - nicht, wenn dies zu Lasten anderer geht.
Das gilt im Kleinen wie im Großen. Und es gilt selbstverständlich auch global, auch für ganze Völker und Nationen. Denn überall dort, wo nur auf das eigene Fortkommen geschaut wird, wo es nur darum geht, dass die eigenen Leute zum Zuge kommen, überall, wo Sie Töne hören wie "America first", oder "Unser Volk zuerst!", überall dort ist man von diesem Gott meilenweit entfernt.
Der Gott der Bibel steht für Solidarität, steht dafür, den anderen nie aus dem Blick zu verlieren, in all meinem Tun, all meinem Bitten und all meinem Wünschen immer auch im Blick zu haben, was das für andere Menschen, für andere Völker und für andere Regionen dieser Erde an Auswirkungen hat.
Ich darf gewiss sein, dass Gott mich unbedingt liebt und dass er immer an meiner Seite steht. Aber er liebt auch alle anderen Menschen, und er liebt sie in gleicher Weise, ganz egal, wo sie leben, was sie tun und was sie glauben oder auch nicht glauben. Und wo Gott ist, bin nie nur ich, sind immer zwei oder drei, sind alle Menschen wichtig, alle Menschen gleich.
Amen.
(gehalten am 10. September 2017 in St. Markus, Marxzell)