Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


4. Adventssonntag - Lesejahr C (Lk 1,39-45)

In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. (Lk 1,39-45)

Liebe Schwestern und Brüder,

Orgeln sind in unseren Gemeinden augenblicklich in aller Munde.

Es ist noch gar nicht so lange her, da haben wir die Renovierungsarbeiten an der Orgel der Pauluskirche abschließen dürfen, heute nehmen wir die erneuerte Orgel in St. Anton in Dienst und im Frühjahr wird die restaurierte Orgel der Peterskirche wieder erklingen.

Es könnte fast den Anschein erwecken, als hätten wir nichts anderes zu tun, als Orgeln zu restaurieren und zu bauen. Dieser Eindruck trügt. Orgeln sind nicht das wichtigste und es ginge ganz sicher auch ohne sie. Jahrhunderte lang haben Christen auch ohne Orgeln Gottesdienst gefeiert. Und in Kirchen ohne Orgel feiert man keine schlechteren Gottesdienste.

Ärmer aber, ärmer sind diese Gottesdienste schon: ärmer um ein wichtiges Zeichen.

Wir pflegen die Orgeln, die in unseren Gemeinden vorhanden sind, ja nicht nur deswegen, weil wir das den Menschen schuldig sind, die diese Instrumente mit viel Einsatz und Mühe angeschafft, gebaut und uns letztlich als Erbe hinterlassen haben. Wir pflegen die Orgeln, weil sie ein Zeichen sind. Eines der vielen sprechenden Symbole in unseren Gottesdiensten.

Nicht umsonst betont das Zweite Vatikanische Konzil, dass die Pfeifenorgel in der lateinischen Kirche als traditionelles Instrument in hohen Ehren gehalten werden soll. Das betont das Konzil nicht nur wegen der Tradition, auch wenns vielleicht auf den ersten Blick so aussieht. Letztlich betont das Konzil die Bedeutung der Pfeifenorgel, vor allem wegen der Pfeifen. Die Pfeifen - die sind nämlich das besondere, die machen eine Orgel zum Zeichen.

Sie müssen sich solch eine Orgelpfeife nur einmal genauer anschauen. Von sich aus tut die nichts. Sie steht einfach nur da und ist nett anzuschauen. Damit sie klingt und damit sie einen Ton erzeugt - den Ton, für den sie geschaffen wurde -, dazu braucht es etwas, was die Orgelbauer "Wind" nennen. Es braucht einen ganz eigenen Wind, der durch die Windkanäle strömt, eine solche Pfeife erfüllt und sie zum Klingen bringt.

Allein schon das Wort "Wind", muss hier aufhorchen lassen. Wind und Sturmesbraus, das sind die Begriffe, mit denen man das biblische Wort "ruach", das Wort für Geist übersetzen muss. Die "ruach" - der Wind, der Geist - sie ist es, die eine Pfeife zum Klingen bringt.

Ein Symbol für den Geist, den Heiligen Geist, der all diese Pfeifen erfüllt und daraus einen Wohlklang unterschiedlichster Melodien erstehen lässt, ein solches Symbol ist unsere Orgel mit all ihren Pfeifen. Denn bei der Orgel wird erlebbar, was passiert, wenn der Geist einen packt und ganz erfüllt. Eine Orgel illustriert da geradezu, was im heutigen Evangelium geschildert wird.

Auch dort wird ja davon gesprochen, dass der Geist packt und ganz erfüllt. Da sind Menschen, die vom Geist erfüllt werden: Der Johannes etwa, der vom Geist angerührt wird, und im Bauch der Mutter hüpft - der gleichsam tanzt, wenn wir es anders sagen wollen. [So gesehen wäre Johannes der, der den ersten liturgischen Tanz in der Geschichte unserer Kirche vollführt hat.] Und noch viel mehr die Elisabeth, von der jetzt auch noch ganz ausdrücklich gesagt wird, dass der Geist sie erfüllt.

Und was passiert?

Elisabeth, heißt es, vom Geist erfüllt, sprach mit lauter Stimme.

Jetzt werden vielleicht einige sagen, das ist nichts besonderes, Frauen sprechen immer, und meist auch mit lauter Stimme, dazu braucht es keinen Geist, der einen erfüllt. Aber hier passiert etwas anderes. Hier spricht jemand von seinem Glauben. Da fängt plötzlich jemand an, seinen Glauben auszudrücken, und zwar so, dass man es hören kann.

Hier bezeugt jemand, die Elisabeth, ihren Glauben und zwar laut, nicht hinter vorgehaltener Hand. Wenn der Geist uns packt, dann macht er uns zu Glaubenszeugen, denn wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund - und die Hand, denn vom Glauben künden, tun wir nicht nur mit dem Mund. Der ganze Mensch ist dann erfüllt und ganz setzt er sich ein, mit Haut Haar steht er dann für das ein, was ihn da voll macht.

Unsere Orgel ist Symbol dafür, die Pfeifen sind offen für den Wind und sie behalten ihn nicht für sich. Sie posaunen in alle Welt hinaus, was sie durchdringt, damit alle es hören können, und beim Anblick unserer Orgeln kann man es sogar sehen.

Wenn nun unsere Orgel den Glauben verkündet, unseren Glauben in die Welt hinausposaunt, dann nehmen wir das als Bild für uns selbst. Wir sind es nämlich, die die Orgel mit ihren Pfeifen meint. Wir sind diese Gefäße, die sich für den Gottesbraus öffnen, sich ganz von ihm erfüllen lassen, um das, was ihnen wichtig ist, was sie da ganz erfüllt - um all das mit Mund und Herz und Hand in die Welt hineinzutragen, dass alle es hören können und alle es sehen, von Bruchsal St. Anton, über St. Paul und St. Peter bis an die Enden der Erde.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 21. Dezember 2003 in der Paulus- und Antoniuskirche, Bruchsal)