Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
3. Adventssonntag - Lesejahr C (Phil 4,4-7)
Brüder! Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren. (Phil 4,4-7)
Als ich mir die heutige Lesung angeschaut habe, fiel mir eine alte Geschichte aus unserem Lesebuch in der Grundschule ein.
Sie kennen Sie sicher. Die Geschichte ist so bekannt, dass ihr im Internetlexikon "Wikipedia" sogar eine eigene Seite gewidmet ist. Sogar verschiedene Fassungen und Bearbeitungen kann man dort nachlesen. Ich bin mir sicher, dass Sie diese Geschichte kennen.
Sie ist eigentlich ganz schnell erzählt. So fängt sie an:
"Einst stritten sich Sonne und Wind: wer von ihnen beiden der Stärkere sei? und man ward einig: derjenige solle dafür gelten, der einen Wanderer, den sie eben vor sich sahen, am ersten nöthigen würde, seinen Mantel abzulegen.
Sogleich begann der Wind zu stürmen; Regen und Hagelschauer unterstützten ihn. Der arme Wanderer jammerte und zagte; aber immer fester und fester wickelte er sich in seinen Mantel ein, und setzte seinen Weg fort, so gut er konnte.
Jetzt kam die Reihe an die Sonne. Senkrecht und kraftvoll ließ sie ihre Strahlen herabfallen. Himmel und Erde wurden heiter; die Lüfte erwärmten sich. Der Wanderer vermochte nicht länger, den Mantel auf seinen Schultern zu erdulden. Er warf ihn ab und erquickte sich im Schatten eines Baumes, indes die Sonne sich ihres Sieges erfreute."
Liebe Schwestern und Brüder,
die Moral von der Geschicht' bräuchte ich Ihnen eigentlich gar nicht vorzulesen, sie versteht sich im Grunde von selbst. So bringt der Schlusssatz jene Geschichte eigentlich nur noch einmal auf den Punkt. Er lautet ganz einfach:
"Zehnmal sicherer wirken Milde und Freundlichkeit, als Ungestüm und Strenge."
Wenn Sie sich jetzt fragen, warum ich ausgerechnet heute an diese Geschichte denken musste, dann lassen Sie einfach die Lesung noch einmal Revue passieren. Paulus gibt seiner Gemeinde schließlich nichts anderes mit auf den Weg. Wie hatte er geschrieben?
"Eure Güte werde allen Menschen bekannt."
Er hätte uns auch diese Geschichte erzählen können. Wenn wir Menschen für Christus gewinnen wollen, dann geht das nämlich nicht durch Vorschriften, durch irgendwelche Regeln und erst recht nicht durch Druck oder Zwang. "Zehnmal sicherer wirken Milde und Freundlichkeit, als Ungestüm und Strenge."
Milde und Freundlichkeit, das ist es -, das haben wir zu verkünden: Güte und Menschlichkeit! Wie oft aber bleiben genau sie bei uns auf der Strecke.
Und ich schau jetzt nicht zuerst auf Papst oder Bischöfe, auf engherzige Vorschriften, rigide kirchliche Verlautbarungen oder die Unversöhnlichkeit im Blick auf wiederverheiratet Geschiedene.
Bleiben wir ruhig bei uns, bleiben wir in den Gemeinden vor Ort. Von wegen Güte und Menschlichkeit!
Wann endlich haben wir die Diskussionen überwunden, was man alles leisten muss, um ein Sakrament empfangen zu dürfen, welche Mindestvoraussetzungen Firmanden etwa zu erfüllen haben, damit sie zum Sakramentenempfang zugelassen werden können. Mich dauern immer wieder Jugendliche, die kommen, um einen Stempel abzuholen, damit sie nachweisen können, auch wirklich im Gottesdienst gewesen zu sein.
Welches Misstrauen und welcher Kontrollzwang erobert da unsere Pfarrämter. Was mittlerweile mancherorts Menschen an Formularen beibringen müssen, nur um bei einer Taufe Pate sein zu dürfen!
Unsere Güte und unsere Menschlichkeit soll den Menschen bekannt werden. Was für ein Bild aber geben wir nach außen ab!
Ja, ich weiß, ich höre schon den Einspruch! Das sei doch notwendig! Wie viele wollten Paten werden und seien doch schon längst aus der Kirche ausgetreten. Und wo käme man denn hin, wenn man nichts mehr verlangen würde. Es braucht doch schließlich eine Ordnung und man kann sich doch nicht alles gefallen lassen! Sollen wir uns denn zum Hanswurst machen lassen, lächerlich dastehen vor aller Welt?
Nun, er ist so dagestanden, er, der sich hat anspucken lassen, der zum Gespött für die anderen geworden ist, der für seinen konsequenten Weg letztlich ans Kreuz geschlagen wurde. Jesus Christus hat gewusst, dass Gewalt zu nichts führt, dass man mit Zwang nichts erreicht und dass alle Zügel am Ende keine Gewähr bieten, dass das Gespann auf dem rechten Weg bleibt.
"Zehnmal sicherer wirken Milde und Freundlichkeit, als Ungestüm und Strenge."
Jesus Christus hat es gewusst. Und Paulus schreibt es uns allen deshalb auch ganz dick ins Stammbuch:
"Eure Güte werde allen Menschen bekannt."
"Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren."
Amen.
(gehalten am 12./13. Dezember 2009, Antonius- und Pauluskirche, Bruchsal)