Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Ostersonntag

 

"Mama, wenn wir dann Ostern in die Kirche gehen, dann holst Du mich aber vorher vom Kindergarten ab!"

so meinte der Sohnemann zu seiner Mutter, als der Gottesdienst des Kindergartens in der Karwoche anstand. Und als seine Mutter ihn daraufhin verwundert ansah, klang seine Begründung durchaus mehr als plausibel:

"Weißt Du," sagte er, "Weißt Du, in der Kirche, da wohnt der Gott. Und an Ostern, da stirbt der ständig. Und solche Leute, die besuche ich nicht!"

Liebe Schwestern und Brüder,

hat er nicht recht, der kleine Mann? Da würd' ich auch einen großen Bogen machen, wenn nur noch vom Sterben gehandelt wird.

Und ist sein Eindruck denn so falsch? Auch Erwachsene erleben es ja oft gar nicht anders. Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie verirren sich in einen unserer Gottesdienste und dann singen wir: "am Stamm des Kreuzes geschlachtet". Da sprechen die Bilder, die Lieder und die Texte von der grausigen Passion, dem Tod am Kreuz und vor allem auch noch davon, dass all dies sogar notwendig gewesen sei, um für den Vater das rechte Opfer darzubringen.

Und dann hört man in letzter Zeit sogar wieder häufiger das Sprechen vom Messopfer und der Notwendigkeit, dadurch das Opfer Christi immer wieder neu gegenwärtig zu setzen, um uns im Stand der Gnade zu erhalten. Da scheint es beständig ums Sterben zu gehen.

Natürlich, es wird auch vom Leben gesprochen. Aber das ist dann meist ein ewiges Leben, eines, das mit dem unsrigen hier kaum noch etwas gemein hat, ein Leben in einer fernen Zukunft am Ende der Zeiten.

"Solche Leute besuch ich nicht!" meinte der Junge. Und ich kann's ihm nicht verdenken.

Und auch nicht all denjenigen, die deswegen schon längst still und heimlich aus dieser Kirche ausgezogen sind, weil sie sich von einer blutleer scheinenden Institution mit Protagonisten, die bei großen Inszenierungen wie aus einem alten verstauben Museum entsprungen scheinen, für ihr ganz konkretes Leben nichts mehr und erst recht keine Hilfe erwarten.

Und dabei geht es der christlichen Botschaft letztlich doch um nichts anderes als das Leben. Und zwar um unser Leben, hier und jetzt. Denn dieses Leben hat Jesus von Nazareth mit uns geteilt. Dieses Leben hat er gelebt. Und er hat uns deutlich gemacht, dass es kein belangloses Leben ist. Es ist ein Leben, das uns von Gott geschenkt wurde und das diesem Gott so wertvoll und wichtig ist, dass er es durch den Tod hindurch in seinen Händen hält.

Es geht nicht um den Tod, es geht nicht um das Sterben. Gott geht es um das Leben. Und es ist die Botschaft vom Leben, die uns hier zusammenführt, von jenem Leben, das uns von diesem Gott geschenkt und in Jesus Christus bereits wiedergeschenkt wurde: unvergänglich, lebenswert und voller Zukunft. Dass Jesus Christus lebt, dass er den Tod durchbrochen hat und dass er es für uns getan hat, das feiern wir heute, das feiern wir in jeder Eucharistie, das feiern wir jeden Sonntag. 52 Mal im Jahr feiern wir Ostern, feiern wir das Leben - nicht den Tod.

Und wir dürfen nicht aufhören, wir müssen neu lernen, wir müssen wieder neu damit anfangen, von diesem Leben zu handeln, unsere Verkündigung so auszurichten, dass sie vom Leben spricht, Hilfestellung für dieses Leben gibt, unserem Leben dient.

Dazu reicht es aber nicht - das sei gleich vorweggesagt - einfach über das Leben zu sprechen oder theoretische Abhandlungen zu halten. Das wäre wieder einmal typisch: Gescheit über etwas zu sprechen, was man gar nicht kennt. Wir müssen selbst wieder neu beginnen, bei uns müssen wir anfangen. Wie wollte man denn etwas verkünden, was man selbst gar nicht lebt. Wir selbst müssen lernen, uns das Leben, das Christus uns geschenkt hat, wieder neu bewusst zu machen - Wir müssen zu leben lernen.

So, wie es auf unnachahmliche Weise der große Papst Johannes XXIII. zum Ausdruck gebracht hat. Er hat offenbar gespürt, dass nur derjenige überzeugend die Botschaft vom Leben verkünden kann, der selber zu leben begonnen hat. Wie hat Johannes XXIII. geschrieben?

"Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin - nicht für die andere, sondern auch für diese Welt."

Das ist wie ein Rezept, das ist sein Rezept. Nur für heute, wollen auch wir es uns neu verinnerlichen. Wir sind für das Leben geschaffen, für das Glück, nicht für die andere, schon für diese Welt. Wir sollten es uns heute neu bewusst machen, und wir sollten das heute tun, um dann morgen neu daraus zu leben und um es übermorgen ganz neu auszustrahlen.

Denn dann werden wir wieder zu Leuten, bei denen nicht nur jener Junge, bei denen alle Welt am Ende erleben darf, dass sie nicht nur schöne Worte machen, klug über das Leben reden, sondern, dass sie wissen, wovon sie reden.

Und solche Leute, die besucht man gerne und man besucht sie mit Gewinn.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 8. April 2012 in der Antonius- und Peterskirche, Bruchsal)