Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Ostersonntag (Joh 20,1-9)
Liebe Schwestern und Brüder,
noch eine Woche, dann ist Ostern.
Glauben Sie nicht? Sie glauben heute sei Ostern? Ok, dann gehen Sie mal nach Griechenland oder nach Russland - einfach überall dorthin, wo orthodoxe Christen leben. Dort wären Sie noch mitten in der Fastenzeit. Ostern ist in der orthodoxen Christenheit dieses Jahr einfach eine Woche später.
Aber wie können die nur? Über Jahrhunderte hinweg haben die Christen doch alle am gleichen Sonntag Ostern gefeiert. Warum haben die im Osten irgendwann einmal angefangen, einfach später zu feiern?
Haben die doch gar nicht! Wir haben plötzlich anders gefeiert. 1582 hat Papst Gregor den Kalender reformiert. Da sollten die Schalttage ausgeglichen werden. Und im Westen war Ostern jetzt plötzlich an einem anderen Termin.
Die Orthodoxie hat das nicht mitgemacht. Und so kann der Termin für das Osterfest in der Ost- und der Westkirche sogar bis zu fünf Wochen auseinanderliegen. Und seit fünfhundert Jahren schafft man es nicht, sich wieder auf einen gemeinsamen Termin zu einigen.
Nun mit dem Einigen haben es die christlichen Kirchen in der Vergangenheit sowieso nicht so arg gehabt. Es ist halt immer schwierig, wenn sich Gruppen einigen sollen, von denen jede die Wahrheit doch für sich gepachtet hat. Da wurde gestritten, sich gespalten und offen angefeindet - und das bis in die Gegenwart hinein.
Das sind christliche Kirchen, die sich in Russland und in der Ukraine unversöhnlich gegenüberstehen. Da werden wieder auf beiden Seiten die Waffen gesegnet. Und der russische Patriarch hält den Krieg sogar für richtig und notwendig, um die westliche Dekadenz - das ist seine Umschreibung für das, was andere Menschen Freiheit nennen, - um die Dekadenz zurückzudrängen.
Wobei sowieso auffallend ist, dass Kirchen selten auf der Seite derer standen, die mehr Freiheit wollten. Viel zu oft haben sich Kirchenvertreter mit Machthabern, die die Freiheit mit Füßen traten, aber dafür Zucht und Ordnung garantierten, ausgesprochen gut verstanden.
Mit einem Einlenken des russischen Patriarchen ist dementsprechend auch kaum zu rechnen, mit einem Eintreten für den Frieden schon gar nicht.
Es sind nicht nur die anderen Religionen, die sich in dieser Welt mit wenig Ruhm bekleckern, die christlichen Konfessionen sind da häufig nicht viel besser.
Und selbst bei uns, wo wir doch Ökumene leben und viel Verständnis füreinander haben, schaffen wir es ja bis heute nicht Pläne für die Zukunft etwa gemeinsam zu machen. Wir machen unsere Kirchenentwicklung - ist schon komisch, ein Rückzugsgefecht Entwicklung zu nennen - wir machen unsere Pläne, die evangelische Kirche macht die ihre. Ein gemeinsames Konzept gibt es nicht. Und ich würde mich nicht wundern, wenn beide Konfessionen an denselben Orten Pfarrzentren und Kirchen schließen, um dann andernorts unmittelbar nebeneinander zwei Kirchen weiter zu betreiben.
Allen Sonntagsreden zum Trotz: mit dem tatsächlichen Miteinander ist es weiß Gott nicht wirklich weit her. Und wenn es dann ans Eingemachte geht, dann ist es mit der Gemeinsamkeit sowieso zu Ende.
Als einmal der Vorwurf im Raum stand, ich hätte mit einer evangelischen Kollegin gemeinsam Abendmahl gefeiert, drohte mir ein Amtsenthebungsverfahren.
Wenn man mit evangelischen zusammen gemeinsam Abendmahl feiert, wird man des Amtes enthoben! Wenn Christen miteinander Abendmahl feiern, gilt das als Verbrechen. Wenn jemand Kinder missbraucht hatte, ist er lediglich versetzt worden.
Was nur hat unsere Kirche da aus der Botschaft Christi gemacht! Was bleibt wirklich übrig bei den christlichen Kirchen vom Beispiel, das uns dieser Jesus von Nazareth gegeben hat?
"Seht wie sie einander lieben!", hat der Kirchenvater Tertullian im dritten Jahrhundert gesagt. Und er meinte damit, dass man die Christen nur anschauen müsse und allein an der liebevollen Art, wie sie miteinander umgehen, könne man schon erkennen, dass die christliche Religion doch die wahre Religion sein müsse.
Ja, seht wie sie einander lieben, aber wundert Euch nicht, wenn Euch dabei die Tränen kommen.
"Jetzt will ich meine Schafe selbst suchen und mich selber um sie kümmern." (Ez 34,11) Vor zweieinhalbtausend Jahren hat Gott seinem Volk durch den Propheten Ezechiel diese Verheißung gegeben: Er will sich selber um meine Schafe kümmern!
An diesem Osterfest will ich bei diesem Gott genau diese Verheißung einklagen. Es geht nicht mehr anders. Wenn es noch einen Weg aus der Misere geben soll, dann muss Gott selbst eingreifen. Er selbst muss sich seines Volkes annehmen und sich selbst darum kümmern.
Wir schaffen es offenbar nicht. Gottes Bodenpersonal hat auf ganzer Linie kläglich versagt.
Amen.
(gehalten am 17. April 2022 in den Kirchen St. Marien, Ettenheim-Ettenheimweiler und St. Bartholomäus, Ettenheim)