Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


2. Sonntag nach Weihnachten - Lesejahr A-C (Eph 1,3-6. 15-18)

Gepriesen sei Gott, der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel. Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und zu ihm zu gelangen, nach seinem gnädigen Willen, zum Lob seiner herrlichen Gnade, Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn. Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke; denn ich habe von eurem Glauben an Jesus, den Herrn, kund von eurer Liebe zu allen Heiligen gehört. Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt. (Eph 1,3-6. 15-18)

"Ach ja, mein Freund, Du hast ja recht, 
die Welt, die ist erbärmlich schlecht, 
der Mensch, der ist ein Bösewicht, 
nur Du und ich natürlich nicht."

Liebe Schwestern und Brüder,

über dieses kleine Gedicht musste ich schon manches Mal nachdenken. Es steht bei uns zu Hause, in Ettenheim, an einer Hauswand geschrieben. Und es steckt ungeheuer viel in diesen kleinen Zeilen drin.

Natürlich stimmt's nicht. Natürlich ist die Welt nicht einfach nur schlecht. Und natürlich sind nicht nur alle anderen Menschen einfach schuld daran, wenn irgendetwas schief läuft. 

Aber eines stimmt ganz sicher: dass wir nämlich in aller Regel genau so denken! In Ordnung sind allein ich und allerhöchstens noch Du. Über alle anderen wird dann ganz schnell ganz gehörig hergezogen. Da geht einem jener auf die Nerven, mit der will man absolut nichts zu tun haben und die macht sowieso alles falsch...

Das ist keineswegs neu. Dieses Phänomen ist so alt wie die Menschheit selber. Und daran hat sich auch nach 2000 Jahren Christentum kaum etwas geändert. Wir sprechen zwar in jedem Gottesdienst davon, dass wir Brüder und Schwestern sind, zu spüren ist davon allerdings kaum einmal etwas.

Sie können mir ruhig widersprechen, wenn es nicht stimmen sollte - aber ich behaupte steif und fest, dass von einer großen christlichen Familie wirklich kaum etwas zu spüren ist. Selbst die meisten von uns hier sind sich untereinander doch relativ egal. Manche regen uns auf, einige können wir nicht ausstehen und beim ein oder anderen sind wir sogar ganz froh, wenn er einfach nicht da ist!

Ich denke, dass wir weit entfernt davon sind, wie der Apostel im Epheserbrief, ganz überschwänglich auszurufen: "Darum höre ich nicht auf, für Euch alle zu danken." Wenn es nur nach unseren Sympathien ginge, danach, wen wir mögen und wen nicht, dann würde unsere Gemeinde und auch unsere Kirche in noch viel mehr kleine und kleinste Splittergruppen zerfallen als sie es heute schon tut.

Das war im Judentum nicht anders. Auch das Volk, dem Jesus entstammt, zerfiel in unzählige Gruppen. Da gab es die Pharisäer, die an ein Leben nach dem Tod glaubten. Und da waren die Sadduzäer, die eben nicht glaubten, dass es nach dem Tod weitergehen würde. 

Es gab auch im Judentum zur Zeit Jesu die unterschiedlichsten Gruppen und Parteiungen. Eines jedoch gab es nicht: Es gab nicht mehrere jüdische Völker!

Trotz aller Unterschiede, trotz aller Spannungen und trotz der Sympathien und Antipathien, die auch die Juden kannten - man vergaß nie, dass man zusammengehörte. Man war ein Volk, nicht weil alle der gleichen Ansicht gewesen wären, nicht weil sich alle gern gehabt hätten, man war ein Volk, weil man von ein und demselben Gott zu diesem Volk zusammengeführt worden war. Der eine gemeinsame Gott verband die Menschen zu einem Volk, zu einem Volk, das trotz aller inneren Spannungen Ungeheures gemeinsam durchgestanden hat und auch heute noch durchsteht.

Wenn wir uns manches von den Juden abschauen können - eines müssen wir sogar von ihnen lernen. Wenn der Epheserbrief sagt, dass uns Gott dazu bestimmt hat, seine Kinder zu werden, dann heißt das, dass uns dieser Gott, so wie er Israel zu einem Volk zusammengeführt hat, zu einer Familie zusammenführt.

Und dann gehören wir zusammen, ganz gleich, ob wir uns mögen oder nicht, ob wir uns gegenseitig aufregen oder nicht, selbst gleich, ob wir in allem dasselbe glauben oder nicht.

Brüder und Schwestern müssen sich nicht unbedingt lieben - das kommt in den besten Familien vor -, aber sie müssen lernen, miteinander auszukommen; vor allem, wenn es um Gottes Familie geht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Gott seine Familie von uns in Kleingruppen zerteilen lässt. Für ihn hat es keine Bedeutung, dass wir uns in evangelisch, katholisch, in Methodisten und Orthodoxe aufsplittern wollen. Er hat uns alle dazu bestimmt, seine Kinder zu sein. Und er will demnach auch, dass wir uns wie eine Familie benehmen. 

Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als dies wirklich zu lernen. Und wenn wir als Christen in dieser Welt bestehen wollen, in einer Welt, die immer mehr von allem bestimmt wird, nur nicht vom Glauben an Jesus Christus, dann sollten wir es sogar sehr schnell lernen.

Mir bleibt da nur, mit den Worten des Epheserbriefes zu beten: Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, erleuchte die Augen unserer Herzen, damit wir endlich verstehen, zu welcher Hoffnung wir durch ihn berufen sind, und welches großartige Erbe er uns allen, allen seinen Kindern schenken will.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 2. Januar 2000 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)