Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
33. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (1 Thess 5,1-6)
Über Zeit und Stunde, Brüder, brauche ich euch nicht zu schreiben. Ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie wie die Wehen über eine schwangere Frau, und es gibt kein Entrinnen. Ihr aber, Brüder, lebt nicht im Finstern, so dass euch der Tag nicht wie ein Dieb überraschen kann. Ihr alle seid Söhne des Lichts und Söhne des Tages. Wir gehören nicht der Nacht und nicht der Finsternis. Darum wollen wir nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein. (1 Thess 5,1-6)
"Dass es einem halt nicht zu wohl wird!" - das ist ein Satz, den ich von früher her ganz gut kenne: Wenn die Frauen auf der Gasse zusammenstanden und über irgendwelche Ereignisse sprachen - meist über Unfälle, Schicksalsschläge oder auch nur das ein oder andere kleinere Unglück im Haus - dann fiel sehr häufig dieser Satz. "Es soll einem halt nicht zu wohl werden!" Und sie meinten damit, dass man genau dann, wenn man sich mal richtig freuen oder das kleine Glück ein wenig genießen könnte, eben immer einen "Dämpfer" bekäme. Genau dann passiere nämlich wieder etwas, was einen ganz schnell in seine recht triste Realität zurückholt.
Und bei all diesen Gesprächen hatte es immer ganz arg den Anschein, als würde am Ende Gott selbst dahinter stecken, als würde Gott eigens darauf achten, dass es Menschen nicht zu gut ginge, als würde Zufriedenheit und Glück einfach nicht gut für uns sein oder man würde sie uns schlicht und ergreifend nicht gönnen. "Es soll eben keinem zu wohl werden!"
Liebe Schwestern und Brüder,
und stimmt's etwa nicht? Ist Glück etwa von Dauer? Wie viele Beispiele lassen sich finden, die genau diese Erfahrung ganz fest untermauern. Und wenn Sie in die Schrift hineinschauen, dann finden Sie das Ganze auch noch von dieser Seite bestätigt. Paulus beschreibt es ja in der heutigen Lesung genau so: "Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie."
Glaube, Religion und Christsein handeln vom Kreuz, vom Leid und nur wenig vom Glück. Das ist der Eindruck, der ganz schnell entsteht und den sehr viele Menschen auch genauso unterschreiben würden.
Und er ist sogar bedingt richtig. Denn es ist ja tatsächlich so: Es gibt keine wirkliche Sicherheit. Unser Leben ist immer lebensgefährlich. Sie können planen und vorsorgen wie Sie auch wollen, es kommt meist ganz anders, als man denkt. Und wer sich morgens ins Auto setzt, hat keinerlei Gewähr dafür, dass er am Abend auch gesund aussteigen wird.
"Während die Menschen sagen: Friede und Sicherheit!, kommt plötzlich Verderben über sie."
Die Bibel macht uns an keiner Stelle etwas vor. Sie schildert uns das Leben in ganz realistischen Farben. Und von wegen: Glaube nur, und alles geht wie von selbst! Unser Glaube ist nicht der Schlüssel zum unbeschwerten und sorglosen Leben, weiß Gott nicht.
Aber er steht diesem Leben auch nicht im Wege. An dieser Stelle widerspricht die Bibel dem Eindruck, den etwa die Frauen damals bei uns auf der Gasse hatten, ganz vehement. Gott sorgt nicht dafür, dass es uns nicht zu wohl wird. Er ist keineswegs der, der uns das Glück nicht gönnt oder es gar verhindern möchte. Er wäre der letzte, der dafür sorgen würde, dass Menschen unglücklich werden oder gar will, dass sie leiden müssen. Ganz im Gegenteil.
Gott ist nicht unser Gegner, er ist nicht derjenige, der unser Glück verhindern möchte, gerade in den Unbilden der Zeit ist er unser Verbündeter. Denn wir sind nicht Kinder der Finsternis und der Trübsal, wir sind Kinder des Lichtes.
Es gibt zwar keine Versicherung gegen alle Widrigkeiten des Lebens, es gibt keine Garantie, nicht von irgendwelchen Schicksalsschlägen getroffen zu werden, aber sie sind keine Stolpersteine, die uns Gott in den Weg werfen würde. Und sie sind erst recht keine Strafen, vor allem nicht für den Wunsch, ganz einfach glücklich zu sein. Ganz im Gegenteil.
Gerade wenn wieder einmal alles über uns hereinzubrechen droht, dann steht Gott auf unserer Seite. Er ist nicht Gegner, er ist Verbündeter.
Er lässt uns ausrichten, dass wir nüchtern bleiben sollen, dass wir das Leben realistisch und klar in den Blick nehmen müssen, mit all seinen Gefahren, aber er versichert uns gleichzeitig, dass er mit uns gegen all diese Gefahren angehen wird.
Gott kämpft auf unserer und vor allem, er kämpft an unserer Seite.
Deshalb sollten wir, sehr wohl, wachsam und nüchtern unser Leben angehen - immer im Bewusstsein, dass Friede und Sicherheit tatsächlich ständig bedroht sind, dass wir sie nicht festhalten, geschweige denn anbinden können.
Das Leben gilt es realistisch und nüchtern anzuschauen, aber vor allem ist es hoffnungsvoll in den Blick zu nehmen. Denn - egal was geschieht, wir stehen nie allein da. Gott steht auf unserer Seite. Und mit diesem Gott, mit Gott an meiner Seite, mit ihm überspringe ich jede Mauer.
Amen.
(gehalten am 15./16. November 2008 in der Antonius- und Peterskirche, Bruchsal)