Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Christkönigssonntag - Lesejahr A (1 Kor 15,20-26. 28)
Brüder! Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören. Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott herrscht über alles und in allem. (1 Kor 15,20-26. 28)
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn ich Ihnen jetzt sagen würde, dass Jesus nicht auferstanden ist, dann würde ich wahrscheinlich Gefahr laufen, einen Sturm der Entrüstung loszutreten. Und der wäre natürlich berechtigt, denn die Auferstehung ist ja schließlich das zentrale Ereignis unseres Glaubens. Sie ist so zentral, dass Paulus im ersten Korintherbrief sogar davon spricht, dass unser ganzer Glaube nutzlos wäre, wenn Christus nicht auferweckt worden wäre (1 Kor 15,17).
Aber da haben wir es ja auch schon! Vielleicht haben Sie den kleinen Unterschied bemerkt: Paulus spricht gar nicht von Auferstehung, er sprach davon, dass Jesus auferweckt wurde.
Ich weiß, auf solche spitzfindigen Unterscheidungen können nur Theologen kommen. Auferweckung und Auferstehung, das ist schließlich so ziemlich dasselbe, mal spricht man eben von dem einen, mal von dem anderen.
Und doch scheinen die ersten christlichen Schriftsteller da einen ganz klaren Unterschied gemacht zu haben. Von Auferstehung spricht eigentlich erst die zweite Generation. Je stärker man in Christus den Gottessohn sah, den mächtigen Kyrios, der zur Rechten des Vaters sitzt, je mehr man seine Vollmacht betonte, und dass ihm alles zu Füßen gelegt wurde, desto einfacher sprach man auch davon, dass dieser Gottessohn den Tod durchbrochen hat und von den Toten auferstanden ist.
Die erste Generation, ein Paulus etwa, die Menschen, die die Ereignisse um Jesus noch aus eigenem Erleben kannten, ihn vielleicht selbst erlebt und kennengelernt haben, die sprachen nicht davon, dass Jesus auferstanden ist, sie sagten, dass er auferweckt wurde, dass ihn der Vater auferweckt hat.
Das mag vielleicht im Endergebnis ein und dasselbe sein, es macht nur einen kleinen Unterschied: Paulus betont, dass der in Jesus Mensch gewordene Gott, so sehr Mensch geworden ist, dass er nicht einfach aus eigener Machtvollkommenheit nach ein paar Tagen Tod dann aus dem Grab herausspaziert ist. Jesus war selbst im Sterben so sehr Mensch, dass er vom Vater auferweckt werden musste. Der ganz Mensch gewordene Jesus von Nazaret ist auferweckt worden, nicht einfach auferstanden.
Damit unterstreicht Paulus im Grunde, was die Menschen bei der Kreuzigung gesagt haben: "Anderen hat er geholfen, sich selbst (aber) konnte er nicht helfen." (Mt 27,42) Denn Menschen können das nicht! Keiner von uns kann sich wirklich selbst helfen. Es ist nur der Lügenbaron Münchhausen, der sich am eigenen Schopf wieder aus dem Sumpf herauszieht. Wir Menschen sind darauf angewiesen, dass andere uns beistehen, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht.
Auch das ist Botschaft des Todes Jesu: Wir sind als Menschen so sehr aufeinander verwiesen, so aufeinander angewiesen, dass jeder von uns, jeder Einzelne, den Beistand des anderen braucht. Der ganz Mensch gewordene Gott macht nicht zuletzt auch dies deutlich, denn nicht einmal er, nicht einmal Jesus selbst, konnte sich alleine helfen. Am Ende war es der Vater, der ihn auferweckt hat.
Lernen wir daraus! Lernen wir, dass wir uns helfen lassen müssen. Und lassen wir uns helfen! Lernen wir daraus, dass wir dem anderen helfen müssen, dass Solidarität unsere Bestimmung ist. Und wenn wir es schon nicht deshalb tun, weil wir den anderen lieben, wenn wir es nicht tun, weil wir um die Bedeutung und den Wert des anderen wissen, dann tun wir es wenigstens deshalb, damit wir selbst am Ende nicht im Stich gelassen werden. Denn wir brauchen einander, jeder den anderen, sich selbst kann letztlich keiner helfen. Selbst das macht uns der Mensch gewordene Gottessohn klar; und im heutigen Evangelium, am Kreuz, macht er es uns sehr schmerzhaft klar.
Amen.
(gehalten am 21./22. November 1998 in der Pauluskirche, Bruchsal)