Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
1.-4. Adventssonntag - Lesejahr A-C
Weißer Sonntag in den 70er Jahren - Erstkommunion bei uns zu Hause. Eine neue Gemeindereferentin hatten wir bekommen und es fegte ein ganz neuer Wind durch unsere Gemeinde. So kindgerecht wie in diesem Jahr war die Vorbereitung noch nie gewesen.
Und in den Festgottesdienst selbst waren erstmals auch alle Kinder wirklich mit einbezogen. Jedes hatte mindestens einen Text zu lesen, die musikalische Gestaltung hatten die Kommunionkinder selbst übernommen: Mit Orff'schen Instrumenten begleiteten sie die einfachen Lieder.
Und die Kinder waren voll dabei! Wochenlang hatten sie geprobt. Und wie gebannt achteten sie jetzt darauf, ihren Einsatz nicht zu verpassen.
Und eine von ihnen war ganz besonders aktiv dabei. Fast bei jedem Musikstück war sie gefordert. Sie war mit Leib und Seele beim Geschehen, machte keinen Fehler und verpasste keinen ihrer Auftritte. Sie war so konzentriert auf die Texte und die Musik, dass sie am Ende allerdings vergessen hatte, zur Kommunion zu gehen.
Liebe Schwestern und Brüder,
das ist kein Scherz. Das hat sich bei uns damals tatsächlich ereignet. Und es hat sich mir ganz tief ins Gedächtnis eingegraben.
Vor lauter Texten, Aktivitäten und Gestaltung hatte damals tatsächlich eines der Mädchen die Kommunionausteilung am Erstkommuniontag völlig verpeilt.
Es war ihr alles hundertprozentig gelungen, nur das Wesentliche, das eigentlich Wichtige, das hatte sie dabei verpasst: Ihre Erstkommunion hatte an diesem Tag gar nicht stattgefunden.
Ich muss in diesen Tagen oft an dieses Mädchen zurückdenken. Es ist mir nämlich in den zurückliegenden Wochen immer wieder begegnet.
Natürlich nicht das Kind von damals. Ich weiß nicht einmal mehr genau, wer es eigentlich gewesen ist. Aber sein Geschick, das, was ihm damals widerfahren ist, daran wurde ich so oft erinnert. Jedes Mal nämlich, wenn ich einer Mutter begegnete, die all die ach so notwendigen Vorbereitungen, die Plätzchen, den Adventsschmuck, das Richten und Vorbereiten auf die Reihe zu bekommen versucht - und der deshalb die 24 Stunden am Tag schon längst nicht mehr reichen. Jedes Mal, wenn ich an die Säcke voller Advents- und Weihnachtspost denke und die Berge von Geschenken, die in all den Wohnungen noch darauf warten, eingepackt zu werden. Jedes Mal, wenn ich die Jahresprogramme unserer Gemeinschaften anschaue und die Ablaufpläne für all die Adventsfeiern sehe, mit all den Regieanweisungen und eingeteilten Personen, die ihren Part natürlich nicht vergessen dürfen. Und jedes Mal, wenn ich in gehetzte Gesichter blicke in den Fußgängerzonen, den Einkaufspassagen und den Straßen unserer Stadt.
Immer wieder werde ich bei all diesem hektischen Treiben an jenes Kind damals erinnert, das so gefangen war von all dem, was es bei seinem Festgottesdienst alles zu beachten und zu machen hatte, dass es am Ende, das Eigentliche - das eigentlich Wesentliche - ganz einfach verpasst hat.
Dieses Kind konnte nichts dafür, es hatte den Erstkommuniongottesdienst damals nicht geplant. Unsere Adventszeit planen wir selber - wir einzig und allein.
Kein Mensch schreibt uns vor, wie wir sie zu gestalten haben, welche Termine wir annehmen und zu welchen wir nein sagen. Und kein Mensch verlangt von uns, auch nur eine einzige sogenannte Adventsbesinnung in unsere Programme zu schreiben. Den Stress und die Hektik in diesen Tagen machen einzig und allein wir selbst.
Und sollten wir am Ende von Ruhe und Besinnung wieder einmal ganz und gar nichts erlebt haben, am wirklichen Sinn dieser Zeit vorbeigegangen sein, hätten wir letztlich das Eigentliche erneut verpasst - das mag uns dann leidtun, es läge aber wieder einmal ganz allein an uns.
(gehalten am 13. Dezember 2008 in der Peterskirche, Bruchsal)