Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Pfingstmontag - Lesejahr A-C

 

Liebe Schwestern und Brüder,

ich glaube, das ist der erste Pfingstmontag, an dem ich eine Predigt halte.

Nach den vielen Predigten an all den Feiertagen der Osterzeit habe ich in meiner Zeit als Gemeindepfarrer mir selbst - und auch der Gemeinde - an Pfingstmontag immer predigtfrei gegeben. Und das eigentlich auch mit gutem Grund: Der Pfingstmontag, den gibt es schließlich gar nicht. Zumindest was unsere Liturgie angeht.

Wenn Sie in unser Feiertagsmessbuch hineinschauen, dann werden Sie dort den Pfingstmontag vergeblich suchen. Und im Vatikan wird heute ganz normal gearbeitet. Die Osterzeit endet liturgisch betrachtet mit dem Pfingstsonntag - danach beginnt der Alltag. Einen Pfingstmontag werden Sie in der katholischen Liturgie vergeblich suchen.

Und warum feiern wir dann heute trotzdem? Nun einfach, weil wir diesen Feiertag haben und es bisher auch niemand geschafft hat, ihn abzuschaffen.

Und das nehmen wir jetzt einfach als Geschenk. Wir haben einen Feiertag mitten im Alltag. Oder anders gesagt: Hier ist der Alltag zum Feiertag geworden. Der Geist, den wir an Pfingsten feiern, hat sich sogar unseres Alltags bemächtigt.

Ist das nicht toll? Das ist eigentlich ein großartiges Zeichen. Dieser Geist ist nämlich nicht etwas, was sich auf Feiertage beschränken ließe.

Ganz im Gegenteil, wenn der Geist Gottes seinen Platz nur an Sonn- und Feiertagen hätte, dann sähe es um unsere Welt düster aus. Letztlich muss der Geist sogar genau in diesem Alltag um sich greifen, wenn unser Leben glücken soll. Gott hat uns nämlich seinen Geist gesandt, nicht damit wir ihn an Festtagen feiern, sondern damit er uns hilft, genau diesen Alltag zu meistern. Im Alltag bewährt sich unser Glaube nämlich, kaum einmal an Sonn- und Feiertagen.

Wenn sich unser Glaube nicht in unserem ganz alltäglichen Tun zeigt, dann können wir die Sonntage letztlich auch bleiben lassen. Es kommt nicht auf das feierliche Halleluja am Sonntag an, es kommt darauf an, was wir von Montag bis Samstag tun. Es kommt darauf an, wie die Nachfolge Christi, unser Leben, unsere Haltung, unser Reden und Handeln prägt. Ich kann noch so oft zum Gottesdienst gehen, wenn ich das Vorbild Jesu Christi nicht in meinen Alltag übersetze, hat das keinerlei Bedeutung.

Das gilt für jede und jeden einzelnen von uns. Aber das gilt natürlich genauso für die ganze Kirche.

Der Petersdom in Rom ist nur Fassade. Das ist die Schokoladenseite für die Sonn- und Feiertage. Wenn dahinter aber Machtkämpfe und Intrigen den Alltag beherrschen, bleibt er einfach nur schöner Schein.

Unsere festlichen Gottesdienste und die Ornate der Eminenzen bleiben reine Äußerlichkeit, wenn der Geist dieser Feiern das alltägliche Tun unserer Kirche nicht prägen, wenn dahinter Verbrechen vertuscht und Opfer gedemütigt werden.

Kirche hat vermutlich viel zu lange, lediglich auf Äußerlichkeiten und den schönen Schein geachtet. Was da im Alltag alles auf der Strecke blieb hat kaum jemand der Verantwortlichen wirklich interessiert.

Nicht umsonst bekommen wir heute die Quittung dafür. Kaum eine Institution hat in den vergangenen Jahrzehnten so viel Vertrauen verspielt, wie gerade die Kirche.

Da nimmt es nicht Wunder, wenn zu den großen gesellschaftlichen Fragen gerade jetzt im Zeichen einer Pandemie alle etwas zu sagen haben, Ethiker, Wissenschaftler, Philosophen, selbst Schauspieler. Aber erleben sie in den Talkshows Theologen und Kirchenvertreter als Experten für Lebensfragen? Was Bischöfe zu sagen haben, interessiert die Öffentlichkeit offenbar schon lange nicht mehr.

Da ist in der Vergangenheit sehr viel Glaubwürdigkeit zerstört worden. Da muss Vertrauen erst ganz langsam wieder zurückgewonnen werden.

Aber es kann zurückgewonnen werden. Nicht durch Sonntagsreden. Nicht durch schönen Schein. Vertrauen gewinnt man allein im Alltag. Das geht nur, wenn im Alltag, wenn im Leben spürbar wird, dass diese Kirche, dass der Glaube, von dem sie kündet, wirklich hilfreich ist, hilfreich für das Leben.

Dazu aber muss man auf diese Leben achten und auf dieses Leben reagieren. Mit Absichtserklärungen ist es nicht getan. Mit weltfremden Verordnungen schafft man nur das Gegenteil.

Wann endlich wird auch in den Köpfen der kirchlich Verantwortlichen ankommen, dass unsere Gesellschaft nicht in den 50er-Jahren stehen geblieben ist, dass Macht nicht mehr nach Gutsherrenart verteilt werden kann, dass Lebensgemeinschaften vielfältig geworden sind und Männer und Frauen gleichberechtigt?

Wir lächeln darüber, wenn in manchen islamischen Staaten theologisch zu begründen versucht wird, dass Frauen nicht Auto fahren dürfen. Können Sie sich vorstellen, dass mir schon gar nicht mehr zum Lachen zumute ist, wenn ich jene zum Teil schon verzweifelten theologischen Klimmzüge höre, mit denen bei uns zu argumentieren versucht wird, warum Frauen nicht zu Weiheämtern zugelassen werden können.

Mit der gleichen Überzeugungskraft, mit der man sagt, Jesus habe schließlich nur Männer berufen, kann ich auch sagen, er hat nur Juden berufen und wahrscheinlich waren es sogar nur Dunkelhaarige.

Wann endlich werden wir kapieren, dass er Menschen berufen hat!

Unsere Kirchenleitung muss endlich begreifen, dass man auf das Leben reagieren muss, dass man den Alltag der Menschen wahrnehmen muss, um für diese Menschen auch wirklich relevant zu sein.

Denn genau darum geht es: Kirche muss für das Leben der Menschen, für den Alltag der Menschen bedeutend sein. Nichts anderes hat uns Jesus Christus selbst ins Stammbuch geschrieben. Wir dienen diesem Gott nämlich einzig und allein dann, wenn wir den Menschen dienen: jenen Menschen, in denen uns dieser Gott nach der Auskunft Jesu zuallererst begegnet.

Wenn Kirche nicht endlich begreift, dass sie dem Menschen und dem Leben zu dienen hat, dann dient sie am Ende zu nichts.

Nicht die Sonntagsreden, nicht Feiertage und Hochfeste werden darüber entscheiden, ob dies gelingt. Ob Kirche ihrem Auftrag gerecht wird, zeigt sich im Alltag.

Der Pfingstmontag ist für mich zu einem Symbol dafür geworden. Der Geist, den wir an Pfingsten feiern, hat sich heute des Alltags bemächtigt, hat aus einem alltäglichen Montag einen Feiertag gemacht.

Möge er unseren ganzen Alltag immer weiter durchdringen. Möge er uns ergreifen und im wahrsten Sinne des Wortes begeistern. Vielleicht erleben wir dann tatsächlich auch noch einmal so etwas wie eine begeisternde Kirche.

Möge Gott es geben.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 24. Mai 2021 in der Kirche Heilig Kreuz, Ettenheim-Münchweier)