Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
26. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C (Lk 16,19-31 mit Am 6,1a. 4-7)
Weh den Sorglosen auf dem Zion und den Selbstsicheren auf dem Berg von Samaria. Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und faulenzt auf euren Polstern. Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde und Mastkälber aus dem Stall. Ihr grölt zum Klang der Harfe, ihr wollt Lieder erfinden wie David. Ihr trinkt den Wein aus großen Humpen, ihr salbt euch mit dem feinsten Öl und sorgt euch nicht über den Untergang Josefs. Darum müssen sie jetzt in die Verbannung, allen Verbannten voran. Das Fest der Faulenzer ist nun vorbei (Am 6,1a. 4-7)
In jener Zeit sprach Jesus: Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte. Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Statt dessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Als nun der Arme starb, wurde er von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von weitem Abraham, und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir, und schick Lazarus zu mir; er soll wenigstens die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. Abraham erwiderte: Mein Kind, denk daran, dass du schon zu Lebzeiten deinen Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur Schlechtes. Jetzt wird er dafür getröstet, du aber musst leiden. Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, so dass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf sie sollen sie hören. Er erwiderte: Nein, Vater, Abraham, nur wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Darauf sagte Abraham: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht. (Lk 16,19-31)
Wir könnten jetzt ein Spiel machen. Wir könnten jetzt den Gottesdienst ein klein wenig aufmischen und eine spielerische Einlage einschieben.
Liebe Schwestern und Brüder,
keine Angst, wir machen das jetzt nicht. Aber vorstellen können Sie es sich ja einmal. Stellen Sie sich vor, ich würde Sie jetzt bitten, dass wir alle aufstehen. Brauchen Sie jetzt nicht wirklich zu tun, machen Sie es einfach in Gedanken.
Und dann stellen Sie sich vor, ich würde sagen, dass sich alle hinsetzen sollen, die jetzt Hunger haben - richtigen Hunger! Hinsetzen sollen sich alle, die sich nach dem sehnen, was andere schon weggeworfen haben. Und dann sollen sich auch die hinsetzen, die kein Dach über dem Kopf haben, die auf der Straße schlafen müssen. Und diejenigen auch noch, deren Körper von Geschwüren bedeckt ist, die so leiden, dass sie nicht mehr ein noch aus wissen.
Und dann käme die gute Nachricht: Alle, die sich jetzt hingesetzt haben, sie alle kommen in den Himmel.
Und alle anderen, alle, die jetzt noch stehen - und damit hört dieses Spiel endgültig auf, irgendwie lustig zu sein...
Alle, die jetzt noch stehen, was ist mit denen?
Die Erzählung aus dem heutigen Evangelium, die Geschichte vom reichen Mann und vom armen Lazarus, die liest sich ja so schön, die kann man so toll erzählen, und die ist so unheimlich anschaulich - solange man sie als Geschichte erzählt, die ganz weit weg von uns ist, die gar nichts mit uns zu tun hat.
Aber wehe, man lässt diese unheimlich anschauliche Geschichte wirklich an sich rankommen, sie ist dann plötzlich einfach nur noch unheimlich. Bei unserem Spiel von eben - ich würde selbstverständlich noch stehen. Und ich bin mir ganz sicher, die allermeisten von Ihnen würden es auch.
Was aber ist dann mit uns?
Mit all denen, die gemessen an der absoluten Mehrzahl der Menschen dieser Erde, zu den Reichen gehören, den Wohlhabenden, zu denen, deren Wohlstand auf dem Rücken der ärmsten der Armen begründet ist. Was haben wir zu erwarten?
Das Urteil des Propheten Amos fällt ausgesprochen kurz und sehr deutlich aus: Ihr liegt auf Betten aus Elfenbein und faulenzt auf euren Polstern. Zum Essen holt ihr euch Lämmer aus der Herde und Mastkälber aus dem Stall. Ihr trinkt den Wein aus großen Humpen, salbt euch mit dem feinsten Öl und sorgt euch nicht über den Untergang der anderen. In die Verbannung müsst Ihr ziehen, allen Verbannten voran. Das Fest der Faulenzer ist nun vorbei.
Das Urteil des Propheten ist vernichtend. Spricht er auch das Urteil über uns? Die Botschaft Jesu, die im heutigen Evangelium zum Tragen kommt, ist ja so viel anders am Ende nicht. Für den unbarmherzigen Reichen gibt es keine Chance.
Und was machen wir jetzt - außer einem dummen Gesicht?
Es bleibt uns wohl lediglich die Barmherzigkeit. Für den umbarmherzigen Reichen gibt es in diesem Gleichnis keine Chance. Halten wir uns wenigstens an die Barmherzigkeit.
Wenn wir schon zu den Reichen gehören, wenn wir schon zu denen gehören, die auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden, denen Dinge ermöglicht wurden, von denen fast alle nur zu träumen vermögen, bleiben wir wenigstens barmherzig, aus fester Überzeugung heraus. Lassen wir uns anrühren von der Not der anderen. Und betrachten wir das, was uns geschenkt wurde, lediglich als uns geliehen, geliehen, um es für alle einzusetzen, um anderen beizustehen, um am Ende allen zu Gute zu kommen. Seien wir wenigstens barmherzige Reiche, Menschen, die Mitmenschlichkeit leben, aus vollstem Herzen und wirklichem, innersten Bedürfnis.
Vielleicht hat dieser Gott, vielleicht hat er am Ende dann auch Erbarmen mit uns.
Bitten wir inständig darum.
(gehalten am 25./26. September 2010, in der Antonius- und Pauluskirche, Bruchsal)