Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


4. Adventssonntag - Lesejahr C (Lk 1,39-45)

In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. (Lk 1,39-45)

"Was bin ich?"

Liebe Schwestern und Brüder,

ich weiß, das ist eine verfängliche Frage für den Anfang, denn viele von Ihnen werden jetzt gleich ans Fernsehen denken. Nur hat diese Frage jetzt überhaupt nichts mit heiterem Beruferaten zu tun. Ich möchte vielmehr, dass wir uns selbst jetzt, jeder für sich, einmal diese Frage stellen. Fragen Sie sich selbst: "Was bin ich?" Und geben Sie sich bitte nicht vorschnell mit Ihrem Beruf zufrieden, wie die das im Fernsehen immer tun. Geben Sie sich nicht mit der Antwort zufrieden: Ich bin halt ein Lehrer, eine Hausfrau oder ein Handwerker. Fragen Sie sich einmal wieder: "Was bin ich eigentlich?"

Zugegeben, ich hätte da jetzt auch Schwierigkeiten, so auf die Schnelle diese Frage zu beantworten. Obwohl's da eine Antwort gibt, die Sie alle mit Sicherheit kennen und die man jedem von uns - ich denke schon mehr als einmal - ins Gesicht gesagt hat. Und genau um diese Antwort, ich fürchte genau um sie werden wir letzten Endes nicht herumkommen. Wenn wir uns fragen: "Was bin ich eigentlich?" ich fürchte, wir werden dann am Ende an der Antwort hängen bleiben: "Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehren wirst!"

Das bin ich: Bedenke Mensch, dass Du Staub bist!

Sie brauchen jetzt keine Angst zu haben, ich habe mich nicht etwa im Datum geirrt; ich weiß schon, dass wir jetzt den vierten Adventssonntag und nicht etwa Aschermittwoch haben. Und es ist mir auch klar, dass dieses "Bedenke Mensch, dass du Staub bist", für unser Empfinden in die Adventszeit so wenig passt, wie der Schnee zum Badeurlaub.

Aber dennoch möchte diesen Satz heute hervorheben, denn ich denke, dass auch das heutige Evangelium an ihn erinnert! Sie haben schließlich eben selbst gehört, was bei diesem Ereignis der Heimsuchung Elisabeth zu Maria gesagt hat: "Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn, dass du mit Jesus Christus zu mir kommst?" - Und an diesem Satz des heutigen Evangeliums bin ich hängengeblieben. Womit habe ich verdient, dass Jesus Christus zu mir kommt?

Hier habe ich jetzt ganz deutlich zu spüren gemeint, wie weit wir doch manches Mal von der eigentlichen Bedeutung des Weihnachtsfestes entfernt sind. Überlegen Sie nur: Wer sind wir denn, dass Jesus Christus zu uns kommt? Wie oft vergessen wir das, bei all der Hektik in diesen Tagen und all dem Festtagstrubel: Gott wird Mensch, wo wir doch eigentlich bloß Staub sind!

Halten wir uns vor Augen, wie unendlich stark Gott uns Menschen lieben muss, dass er selbst das getan hat, dass er selbst Mensch geworden ist. Halten wir uns das vor Augen, und ich glaube, dann werden wir anfangen, anders Weihnachten zu feiern. Sicher, vielleicht wird sich rein äußerlich gar nicht so viel ändern. Wir werden wahrscheinlich kaum etwas anderes tun; aber wir werden mit Sicherheit manches anders tun.

Wir werden uns dann wahrscheinlich auch weiterhin gegenseitig beschenken. Aber ich glaube wir werden es dann nicht mehr tun, weil z. B. ganz überraschend doch noch ein Paket vom Onkel Franz angekommen ist - und wir ihm da natürlich auch noch etwas besorgen müssen. Und wir werden es auch nicht mehr tun, weil schon wochenlang Weihnachtsmusik in den Kaufhäusern erklingt und überall die verkleideten Weihnachtsmänner in den Straßen herumgeistern.

Wir werden uns beschenken, aber wir werden es tun, weil wir immer mehr begreifen, dass wir auf solch eine Weise beschenkt worden sind, dass wir die Freude darüber gar nicht für uns behalten können. Wir werden uns beschenken, weil wir immer mehr begreifen, wie unendlich dieser Gott uns Menschen lieben muss, so sehr, dass er sogar selbst Mensch wird! Wir werden uns beschenken, weil wir in Jesus Christus sogar noch einen Beweis dafür bekommen haben, wie groß diese Liebe Gottes zu uns Menschen ist. Gott wird Mensch, weil er uns liebt, obwohl wir doch eigentlich nur Staub sind.

Das ist die Frohe Botschaft, die wir in ein paar Tagen an Weihnachten feiern werden. Und wer nur einmal annähernd begonnen hat, zu begreifen, was diese Botschaft für uns bedeutet, wer begonnen hat, das auch nur anfanghaft zu verstehen, der kann seine Freude darüber einfach nicht für sich behalten.

Ich glaube, wir tun gut daran, und ich sage jetzt ganz bewusst "wir", denn ich schließe mich da selber ganz fest mit ein,

ich denke, wir tun gut daran, gerade in den wenigen Tagen, die uns bis Weihnachten noch bleiben, jetzt, wo die Hektik wieder ihren Höhepunkt erreichen wird, in diesen Tagen ganz bewusst das, was die Elisabet im heutigen Evangelium ausgedrückt hat, als Mahnung mitzunehmen. Denken wir jetzt ganz bewusst an diesen Satz: "Wer bin ich, dass Jesus Christus zu mir kommt?" Halten wir uns das vor Augen, damit wir in all dem vorweihnachtlichen Trubel Weihnachten selbst nicht vergessen; damit wir diese gewaltige Botschaft, die mit diesen Tagen verbunden ist, unter keinen Umständen übersehen, denn davon bin ich überzeugt, wir werden Weihnachten dann anders feiern, und sicher nicht schlechter.

Denken Sie an die Frohe Botschaft des Weihnachtsfestes, und freuen Sie sich von ganzem Herzen, denn durch Weihnachten wissen wir endgültig: Wir sind zwar Staub, aber wir sind von diesem Gott unendlich geliebter Staub!

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 17./18. Dezember 1988 im St. Stephans-Münster, Breisach)