Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Dreifaltigkeitssonntag (Spr 8,22-31)
So spricht die Weisheit Gottes: Der Herr hat mich geschaffen im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit; in frühester Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, beim Ursprung der Erde. Als die Urmeere noch nicht waren, wurde ich geboren, als es die Quellen noch nicht gab, die wasserreichen. Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren. Noch hatte er die Erde nicht gemacht und die Fluren und alle Schollen des Festlands. Als er den Himmel baute, war ich dabei, als er den Erdkreis abmaß über den Wassern, als er droben die Wolken befestigte und Quellen strömen ließ aus dem Urmeer, als er dem Meer seine Satzung gab und die Wasser nicht seinen Befehl übertreten durften, als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund, und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein. (Spr 8,22-31)
Was Sie da schreiben, ist absolut falsch. Sie haben völlig unrecht!
Liebe Schwestern und Brüder,
solche Mails und Zuschriften erhalte ich immer wieder. So schreiben mir Menschen, die recht haben, denn Rechthaberei, das ist in Theologie und Kirche fast schon so etwas wie ein Volkssport geworden.
Das heißt: eigentlich war das schon immer so. Dadurch zeichnet sich unsere Theologie ja schon beinahe aus. Es wird diskutiert und gestritten und manchmal schon richtiggehend gekämpft. Und es geht fast immer darum, wer recht hat und wer nicht.
Kirchen sind dadurch bereits auseinandergebrochen, Spaltungen werden dadurch zementiert, Kriege haben auf diese Weise begonnen und Menschen deshalb ihr Leben gelassen. Und selbst in unseren Gemeinden, im ökumenischen Dialog, geht es immer wieder um die Frage, wer macht es denn jetzt richtig, wer sagt die Dinge falsch und wer hat denn letztlich recht.
Rechthaberei und recht haben, das ist das eine - Weisheit ist etwas anderes.
Die heutige Lesung macht uns deutlich, dass es Gott wohl kaum um das "Recht haben" geht. Gott geht es um Weisheit. Und Weisheit ist etwas anderes.
Der Weise erkennt hinter den Worte des anderen etwas von einer Wahrheit, die ihm verborgen ist. Der Weise kann einordnen, dass auch wenn zwei etwas völlig anderes sagen, es letztlich nur anders ausgedrückt sein mag. Der Weise kann zwischen den Zeilen lesen und Dinge auseinanderhalten. Der Weise hält sich nicht am Buchstaben auf, an Begrifflichkeiten oder Formeln, er dringt zum Wesentlichen vor und weiß darum, dass die Dinge meist weit vielschichtiger sind, als dass man sie mit wenigen Worten umschreiben, geschweige denn erfassen könnte.
Demjenigen, der recht haben will, dem geht es meist nur um sich selbst, darum, dass er gut dasteht und nicht klein beigeben muss. Ihm geht es um Macht, um Einfluss, meist um recht vordergründige Dinge - ganz egal wie fromm er ist oder besser - wie fromm er zu sein glaubt.
Dem Klugen geht es um die Sache, um die Wahrheit, um das, was hinter den Dingen steht.
Dem Weisen geht es um den Menschen, um das Wohl und um die Fülle des Lebens.
Deshalb liebt Gott die Weisheit, denn Gott geht es um das Leben. Ihm geht es um den Menschen. Deshalb bereitet es ihm auch Freude, wie uns die heutige Lesung sagt, deshalb ist es für Gottes Weisheit auch eine Freude, unter den Menschen zu leben, der Weisheit Gottes Freude ist es, bei den Menschen zu sein.
Amen.
(gehalten am 29./30. Mai 2010 in der Peters- und der Antoniuskirche, Bruchsal)