Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Weihnachten - Am Tag (Jes 52,7-10)
Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Heil verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König. Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln. Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt. Brecht in Jubel aus, jauchzt zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr hat sein Volk getröstet, er hat Jerusalem erlöst. Der Herr hat seinen heiligen Arm vor den Augen aller Nationen entblößt und alle Enden der Erde werden das Heil unseres Gottes sehen. (Jes 52,7-10)
Wird schon wieder!
Mit diesen Worten verabschieden sich manche Menschen sehr gerne.
Aber nicht selten hinterlassen diese Worte einen recht faden Beigeschmack. Denn ganz oft wird es halt nicht mehr. Und sowohl der, der geht, als auch der, der zurückbleibt, ahnt, dass es nicht wirklich wieder gut wird.
Aber es ist ein schöner Abgang, klingt so hoffnungsvoll, dieses "Wird schon wieder, alles wird gut!", und es erstickt oft ein wenig die Hilflosigkeit, die einen Angesichts von Krankheit, von Naturkatastrophen oder sonstigem Leid immer wieder packt.
Liebe Schwestern und Brüder,
ein wenig klingt für mich auch die heutige Lesung so. Sie spricht von einem Freudenboten, von Frieden und von Heil für die ganze Welt. Weihnachten, das Fest des Friedens, rührseliger Stimmung und tiefer romantischer Gefühle. Meine Gefühle in diesem Jahr sind irgendwie anders.
Von wegen: ein Bote, der Friede verkündet. Und wo sollen alle Enden der Erde Gottes Heil sehen? Ich sehe eigentlich sehr viel Unheil.
Das fängt schon damit an, dass unsere Erde schon längst nicht mehr heil ist.
Im Urlaub habe ich Nachrichten gehört, habe erfahren, dass Hochwasser ganze Teile Bruchsal verwüstet hat. Und mein erster Gedanke war, ob auch meine Wohnung betroffen ist. Sie war es - Gott sei Dank - nicht. Aber wir wissen ja mittlerweile, dass solche Katastrophen immer häufiger werden. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis wir irgendwie selbst auch betroffen sind.
Eigentlich wissen wir, dass wir längst etwas tun müssten. Wir müssten dringend gegensteuern. Und mit jedem Jahr, das verstreicht, wird es schwieriger und teurer.
Gerade in Ettenheim weiß man noch, was Hochwasser bedeutet. Und man weiß auch, dass das ganz schön kostet, wenn man sich dagegen wappnen möchte. Man weiß, dass man sich dann manch anderes nicht leisten kann, wenn man es wirklich tut. Ettenheim hat das damals gemacht. Die Ettenheimer waren so klug.
Aber insgesamt schlafen wir an der Wand ein, finden immer neue Argumente, um nicht wirklich etwas tun zu müssen und schielen auf die anderen, die noch weniger oder zumindest doch auch nichts tun.
Man könne solch unpopuläre Maßnahmen, der Bevölkerung nicht zumuten, heißt es dann von Seiten der Politik. Und so lässt man eben weiter zu, dass man mit viel zu großen Wägen über die Autobahn rast, unnötig durch die Gegend fliegt und verschwenderisch lebt, als gäbe es keinerlei Grund sich auch nur irgendwelche Sorgen zu machen.
Wird schon werden - alles wird gut.
Warum bin ich da nur an meine Kindheit erinnert, als wir mit viel zu spitzen Scheren gespielt haben und meine Großmutter angesichts des Entsetzens meiner Mutter lediglich meinte: "Ha, sie henns halt welle!"
Aber selbst wenn wir das Richtige wollten, selbst wenn wir alles richtig machen würden und alle Anstrengungen aufbieten, zu denen wir in der Lage wären. Es wäre von Heil trotzdem nicht viel zu sehen.
Sie brauchen ja nur die Zeitungen aufzuschlagen oder die Nachrichten zu hören. Das Wort: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt!", hat ja eine Aktualität gewonnen, die einem den Schlaf rauben kann.
Was soll dann solch eine vertröstende Lesung am heuten Morgen?
Ich bin da viel weniger beim Propheten Jesaja und seiner Botschaft vom Heil, als bei jenem anderen Propheten, bei Jeremia, der einige Jahrzehnte vorher ganz anders verkündet hat. Wie hatte der geschrieben?
"Wir hofften auf Frieden, doch es gibt nichts Gutes; auf die Zeit der Heilung, doch siehe: Schrecken!" (Jer 8,15)
Jeremia ahnte, dass sein Volk die Kurve nicht wirklich bekommen würde. Jeremia sah sehr deutlich, dass alle Welt in die Katastrophe schlitterte.
Sicher, auch Jeremia war davon überzeugt, dass am Ende Gottes Heil stehen würde. Aber er ahnte, dass dies erst nach der Katastrophe sein werde.
Habe ich deshalb solche Schwierigkeiten mit der heutigen Lesung? Es ist ja eigentlich ein großartiger Text. Er spricht davon, dass Gottes Zusage kein leeres Gerede ist. Gott ist treu und er steht zu seinem Volk, wann, wo und wie es auch sei. Er steht zu uns und er wird seine Kinder in seine Arme schließen.
Aber da gibt es eine Formulierung, die mich vermutlich unterbewusst schon all die Jahre mit diesem Text hadern ließ. Da ist dieser kleine Halbsatz.
Haben Sie noch im Ohr, wem die Verheißung des Propheten Jesaja gilt? Er verkündet den Trümmern Jerusalems!
Jeremia trat auf, bevor die Katastrophe eingetroffen war. Jesaja spricht zu einem Volk, das bereits am Boden liegt. Die Stadt liegt bereits in Trümmern. Schlimmer kann es schon gar nicht mehr werden.
Um uns herum gibt es aber keine Trümmer. Wir leben auf einem Niveau, von dem Generationen vor uns nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Eigentlich hätten wir alle Möglichkeiten in der Hand.
Ich danke diesem Gott, dass er uns verheißt, auch in der Not bei uns zu sein, uns beizustehen egal was passieren mag. Ich danke diesem Gott, dass er uns diese Verheißung schenkt, dass er selbst nach der Katastrophe an unserer Seite steht.
Aber ich hoffe so, dass wir noch vorher die Kurve kriegen. Dass nicht wieder erst alles kurz und klein geschlagen sein muss, bevor wir aufwachen die Richtung ändern und umkehren, wo wir falsch abgebogen sind.
Ich hoffe so, dass wir die Zeichen der Zeit erkennen besonnen und klug in das vor uns liegende Jahr gehen. Ich hoffe so, dass wir die Chancen nutzen, die wir doch wirklich haben.
Und dazu gehört nebenbei gesagt auch, dass wir die Chancen nutzen, die wir bei Wahlen haben. Nein, dieser blöde Spruch, "Die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber!" er darf sich nicht bewahrheiten.
Noch haben wir alle Möglichkeiten in der Hand.
Eigentlich wünsche ich mir an diesem Weihnachtsmorgen nichts anderes. Ich wünsche mir, dass wir es erkennen, und dass wir die nötigen Schritte dann auch wirklich tun.
Ich wünsche mir das für uns alle und allem voran für unsere Kinder.
Möge Gott es geben.
Amen.
(gehalten am 25. Dezember 2024 in den Kirchen St. Marien, Ettenheimweiler, und St. Batholomäus, Ettenheim)