Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Fest der Heiligen Familie - Lesejahr A-C (Kol 3,12-21)

Brüder! Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes. Seid dankbar! Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade. Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater! Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt. Ihr Männer, liebt eure Frauen, und seid nicht aufgebracht gegen sie! Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allem; denn so ist es gut und recht im Herrn. Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein, damit sie nicht mutlos werden. (Kol 3,12-21)

Es gibt Schrifttexte, die heutzutage, gelinde gesagt, schwierig sind. Sie sind sperrig und haben einen Beigeschmack, der manchmal mehr als nur schal zu nennen ist.

Der Text der Johannespassion ist ein gutes Beispiel dafür. Mittlerweile wird immer wieder gesagt, so etwas könne man doch nicht mehr unkommentiert vorlesen. Er strotze ja nur so vor judenfeindlicher Formulierungen.

Da steht Jesus vor dem Richter und soll sogar freigelassen werden, die Juden aber schrien, dann bist du kein Freund des Kaisers und weg mit ihm, ans Kreuz mit ihm!

Liebe Schwestern und Brüder,

es ist tatsächlich so. Wenn man den Text heute einfach so liest, wie er dasteht, dann überkommt einen schon das ein oder andere komische Gefühl. Und es braucht schon ein gerüttelt Maß an Hintergrundinformation, um solche Formulierungen nicht in den falschen Hals zu bekommen.

Dabei gibt es ein probates Mittel, um sich solch sperrige Texte neu zu erschließen. Man nimmt den Text einfach so, wie er dasteht und transportiert ihn in die Gegenwart. Man verlegt das Geschehen ganz einfach ins eigene Umfeld und bürstet die Worte dann quer.

Die Juden von damals wären dann die Frommen von heute, denn es waren seine eigenen Leute, die ihn ausgeliefert haben und zwar die, die sich zu Hütern der Religion erklärten. Mit ihnen geriet er in Konflikt, weil er eine auf den äußeren Schein reduzierte Frömmigkeit und eine formelhaft erstarrte Religiosität immer wieder kritisierte und anprangerte. Das musste vor allem die amtlichen Vertreter der Religion, die damalige "Kirchenleitung", auf den Plan rufen. Und deshalb wären dann auch, im übertragenen Sinne, Hohepriester und Schriftgelehrte in unserem Fall Theologen und Bischöfe.

Und jetzt machen Sie das mal, nehmen sie mal die Johannespassion und setzen Sie überall dort, wo im Text Juden steht, einfach mal Christen ein und wo vom Hohepriester die Rede ist, sagen Sie Bischöfe oder Papst.

Pilatus wollte ihn freigeben, aber die Christen schrien: "Ans Kreuz mit ihm!"

Da bekommt der Text eine ganz eigene Sprengkraft und es wird deutlich, was für eine ungeheure Tiefe er hat - und das zu allen Zeiten.

Warum ich Ihnen das heute, in der Weihnachtszeit und auch noch am Fest der Heiligen Familie erzähle?

Nun, ganz einfach, weil uns heute nicht minder solch ein sperriger Text begegnet, einer, der kaum noch ohne Widerspruch vorgetragen werden kann.

Wenn die heutige Lesung vom Zusammenleben der Menschen in den Familien handelt, dann führt sie einen Verhaltenskodex an, der antiquiert und nicht mehr haltbar und letztlich auch frauenfeindlich erscheint.

Da reicht es nicht aus, historische Argumente anzuführen oder auch auf den durchaus bemerkenswerten Zusammenhang zu verweisen, dass es sich im Letzten ja um wechselseitige Aussagen handelt. Der Kolosserbrief spricht von der Verantwortung der Männer für die Frauen und genauso der Frauen für die Männer, der Kinder für die Eltern wie auch der Eltern für ihre Kinder. Aber er tut es mit Worten, die heute kaum noch verständlich sind.

Wenn Muslimen beispielsweise immer wieder vorgehalten wird, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau das große Kriterium sei, an dem sich messen würde, ob eine Religion in unserer Gesellschaft einen wirklichen Platz habe, dann ist es beinahe schon eine Unmöglichkeit, in christlichen Kirchen einen Satz wie "Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter!" einfach so vorzulesen. Unkommentiert kann man so etwas kaum noch stehen lassen.

Aber wir können eines machen. Machen wir es doch mit diesem Lesungstext ganz ähnlich wie mit der Johannespassion. Nehmen wir ihn einmal heraus aus seinem historischen Zusammenhang, lesen wir ihn einfach einmal anders herum, von hinten nach vorne und unten nach oben.

Und dann nehmen Sie die Fassung, die in der Bibel steht, und unsere neugewonnene Version ganz einfach zusammen. Und ich denke, der Kolosserbrief wird ganz neu zu sprechen beginnen.

Er wird dann immer noch nicht so sein, dass ihn alle unterschreiben wollen. Er wird dann andere Ecken und Kanten haben, aber er wird vielleicht zu einem ganz eigenen Gedankenanstoß, den es auszuhalten gilt.

Probieren wir es - etwa so:

Ihr Kinder, verunsichert eure Eltern nicht, damit sie das Vertrauen in euch nicht verlieren. Ihr Eltern, hört auf eure Kinder und zwar in allem, denn so ist es gut und recht im Herrn. Ihr Frauen, liebt eure Männer und seid nicht aufgebracht gegen sie! Und ihr Männer, ordnet euch euren Frauen unter, wie es sich im Herrn geziemt. Und alles, was ihr in Worten und Werken tut, das lasst im Namen Jesu geschehen. Vor allem aber, liebt einander, und zwar wirklich, so dass der Friede Christi tatsächlich in euren Herzen wohnt, denn das ist das Band, das alles zusammenhält.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 30. Dezember 2007 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)