Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Christi Himmelfahrt - Lesejahr A -C
"Hoffentlich beruhigt sich der Vulkan auf Island bis zum 13. Mai", meinte der Moderator im Radio vor einigen Wochen, damals, als der Luftraum wegen der Aschewolke gesperrt war. "Hoffentlich beruhigt sich der Vulkan bis zum 13. Mai, sonst fällt Himmelfahrt nämlich aus."
Liebe Schwestern und Brüder,
es sollte ein Witz sein - zugegeben, ein ziemlich blöder -, aber seit ich diesen Satz gehört habe, lässt er mich nicht mehr los. Was wäre denn, wenn Himmelfahrt wirklich ausfallen würde, wenn sie damals ausgefallen wäre.
Wäre es nicht schön gewesen, wenn sie gar nicht stattgefunden hätte? Warum musste er denn wirklich gehen? Was alles wäre wohl, wenn er uns nicht im Stich gelassen hätte?
Die Welt könnte doch ganz anders aussehen. Das muss man sich mal vorstellen: Christus wäre immer noch hier, sichtbar, erlebbar, er würde durch verschlossene Türen gehen, jedem und jeder sagen, was richtig und was falsch ist und was im Augenblick getan werden muss. Er erschiene an allen Kabinettstischen und würde den Regierenden die Meinung stoßen, dafür sorgen, dass wirklich Frieden wird und dass das Unrecht aus der Welt geschaffen wird. Er würde selbst seine Kirche leiten und Papst und Bischöfe wären nicht nötig.
Hat es nicht etwas Verlockendes, sich auszumalen, wie die Welt aussehen würde, wenn Himmelfahrt gar nicht stattgefunden hätte? Wenn er immer noch hier wäre, unübersehbar und voller Macht. Die Welt wäre in festen Händen, es gäbe keine falschen Entscheidungen mehr, sie wären uns alle abgenommen. Es wäre, als würde jemand überall mit uns hingehen, uns fest an die Hand nehmen und alles für uns tun. So, als wären wir immer noch daheim, am Tisch unserer Eltern, die alles für uns regeln und uns alle Sorgen abnehmen.
Es wäre... Es wäre nicht auszudenken!
Das wäre ja so, als würden Euch Eure Eltern ins A5 begleiten, Euch sagen, was Ihr, und vor allem, wie viel Ihr am Abend trinken könnt, mit wem Ihr ausgehen könnt und vor allem, mit wem Ihr es nicht sollt.
Es wäre, als würden wir nie erwachsen werden. Es wäre nicht auszudenken!
Vielleicht träumen wir manchmal davon, vielleicht hat es ab und an etwas Verlockendes, nicht entscheiden zu müssen, nicht verantwortlich zu sein, jemanden zu haben, dem man blind folgen kann - wenn wir aber ehrlich sind: Wollen tun wir das nicht wirklich.
Der Gedanke wäre auf Dauer nicht auszuhalten.
Das macht unser Menschsein doch aus, dass wir eigenständig durchs Leben gehen, einen Verstand zum Denken haben und entscheiden können und auch dürfen. Wir können unser Leben und diese Welt gestalten und wir wollen das doch auch. Wir wollen erwachsen werden und wir wollen erwachsen sein!
Es tut gut zu wissen, dass es Eltern gibt, zu denen man immer und überall kommen kann, die uns immer zur Seite - und vor allem - zu uns stehen. Aber wir wollen doch durch unser Leben ganz gerne auf eigenen Füßen gehen.
Das wollen wir und das sollen wir auch. So hat Gott uns schließlich auch gedacht. Er will keine Marionetten, die einfach wie Maschinen auf Knopfdruck reagieren. Er will Partner, die mit ihm zusammen diese Welt zu einer lebenswerten, einer gerechten und einer menschenwürdigen Welt werden lassen. Und das traut er uns zu, so wie Eltern ihren Kindern im Laufe der Zeit immer mehr zutrauen und dementsprechend Verantwortung übertragen.
Wahrscheinlich ganz gut, dass der Himmelfahrtstag damals nicht ausgefallen ist. Der Himmelfahrtstag ist nämlich solch ein Tag des Verantwortung-Zutrauens, er ist ein Tag des Vertrauens. Gott selbst macht uns deutlich, dass es auf uns ankommt und traut uns zu, dass wir es packen. Es ist ein Tag des Vertrauens und des Erwachsenwerdens. Ein Tag der Verantwortung, einer ungeheuren Herausforderung - aber noch viel mehr einer ungeheuren, ja unvorstellbar großen Chance.
Amen.
(gehalten am 13. Mai 2010 in der Peterskirche, Bruchsal)