Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


2. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Jes 49,3. 5-6)

Der Herr sagte zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, an dem ich meine Herrlichkeit zeigen will. Jetzt hat der Herr gesprochen, der mich schon im Mutterleib zu seinem Knecht gemacht hat, damit ich Jakob zu ihm heimführe und Israel bei ihm versammle. So wurde ich in den Augen des Herrn geehrt, und mein Gott war meine Stärke. Und er sagte: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht. (Jes 49,3. 5-6)

Texte der Bibel lesen sich häufig, wie Geschichten aus längst vergangenen Tagen. Sie sind uns vertraut, man hört sie, aber sie betreffen uns eigentlich nur am Rande. Die Personen sind uns fremd und die Länder, Völker und Orte, von denen gesprochen wird, sind den wenigsten wirklich ein Begriff.

Die Sprengkraft, die in solchen Texten liegt, die wird erst wirklich deutlich, wenn wir sie übersetzen - und jetzt nicht einfach Wort für Wort in unserer Sprache übertragen, sondern wirklich übersetzen, in unsere Wirklichkeit, in unsere Gegenwart hinein.

Beim Text der heutigen Lesung können Sie gleich den Anfang machen.

Liebe Schwestern und Brüder,

dieser Abschnitt aus dem Jesajabuch ist ja dermaßen bekannt: "Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen."

Das kennen wir; schon Hunderte Male gehört. Und wir wissen auch, dass sich Jesus von Nazareth wohl mit dieser Stelle aus den Gottesknechtsliedern voll identifiziert hat. Aber was für eine Sprengkraft in diesen Worten steckt und welche Bedeutung sie auch für uns heute haben können, das nimmt kaum noch jemand beim Hören wirklich wahr.

Aber übersetzen Sie mal: Machen Sie aus diesem nichtssagenden "Stämmen Jakobs" mal einfach die "Katholiken". Und aus den "Verschonten Israels" die "christlichen Kirchen", oder ganz einfach "die Christen". Dann nämlich wird der Text wirklich heiß!

So müssen Sie ihn mal lesen: "Und er sagte: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Katholiken um dich zu sammeln und die Christen zum Heil zu führen. Ich mache Dich zum Licht für alle Menschen, denn mein Heil soll der ganzen Welt zuteilwerden!"

Das ist eine Übersetzung! Und nur so eine Übersetzung macht wohl deutlich, wie dieser Text auf seine Hörer damals gewirkt haben muss und welche Sprengkraft er noch heute enthält.

Das Jesajawort ist ja nicht aufgeschrieben worden, weil es mal wichtig war. Es steht in unserer heiligen Schrift, weil es währende Bedeutung hat, für uns wichtig ist. Es stellt eine Herausforderung genauso für uns dar, wie es zu allen Zeiten herausfordernd gewesen ist. Es bedeutet nämlich zuallererst, dass wir in der Nachfolge des Gottesknechtes Jesus eine Aufgabe haben.

Es geht darum dieses Licht wirklich bis an die Enden der Erde zu tragen. Wir dürfen uns nie selbst genug sein. Es ist zu wenig, dass es uns gibt.
Wir dürfen uns nicht ins wohlige und schnuckelige Gemeindenest kuscheln. Unsere Aufgabe ist es, die Botschaft vom Heil, das Gott uns allen zugesagt hat, in die Welt hineinzutragen, zu den Menschen zu tragen und nicht für uns zu behalten. Kirche ist kein Selbstzweck. Sie hat einen Auftrag.

Und der hört nicht an ihren Grenzen auf. Gott will das Heil aller Menschen, nicht nur der Christen, auch der Muslime, der Buddhisten oder Hinduisten. Er hat das Heil selbst denen zugedacht, die gar nichts von ihm wissen und auch nichts von ihm wissen wollen. Es war ihm bei weitem zu wenig, das Heil nur einem einzigen Volk zukommen zu lassen, und es ist ihm zu wenig, wenn es nur einen Teil der Menschheit erreicht, selbst wenn es sich dabei um eine Weltkirche handelt.

Gott hat sich in den Kopf gesetzt, dass sein Heil bis an das Ende der Erde reicht. Und glauben Sie mir, was der sich in den Kopf gesetzt hat, das kriegt der auch hin!

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 18./19. Januar 2014 in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)