Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


16. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 13,24-30)

In jener Zeit erzählte Jesus der Menge das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zum Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Weizen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut? Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan. Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen? Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich zu den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündeln, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune. (Mt 13,24-30)

Meine Eltern haben damit völlig Schiffbruch erlitten. Ich sollte nämlich im Garten helfen - etwas, wofür ich schon als Kind kaum Begeisterung verspürte. Unkraut jäten war angesagt.

Es war - glaube ich - das einzige Mal, dass ich mit solch einer verantwortungsvollen Aufgabe betraut wurde. Als nämlich am Ende nicht nur Gras und Löwenzahn, sondern auch die Radieschen meiner Säuberungsaktion zum Opfer gefallen waren, haben meine Eltern endgültig eingesehen, dass bei mir in dieser Beziehung Hopfen und Malz verloren war.

Liebe Schwestern und Brüder,

das heutige Evangelium spricht mir deshalb völlig aus dem Herzen: Lasst beides wachsen, bis zur Ernte! Ich habe es selbst erlebt, wie man beim Ausreißen über das Ziel hinausschießen kann. Und als Ergebnis kommt dann nicht selten etwas dabei heraus, was absolut nicht im Sinne des "Herrn der Ernte" ist.

Wie schon gesagt - was die Gartenarbeit angeht, ist mir das völlig klar. Aber Jesus hat dieses Gleichnis ja nicht deswegen gesprochen, um Gartenmuffeln wie mir Gründe zu liefern, kein Unkraut mehr jäten zu müssen. Ihm geht es um das Unkraut selbst, oder besser darum, dass ihm alleine zusteht, Kraut und Unkraut zu unterscheiden.

Denn anders als bei den Pflanzen bin ich bei Menschen meist sehr schnell bei der Hand, in nützlich und hinderlich einzuteilen, und das, was unnütz scheint, was der eigenen Sache schädlich ist und ihr im Wege steht, das würd' man dann doch schon ganz gerne mal einfach ausreißen oder zumindest dorthin wünschen, wo der Pfeffer wächst.

Und, Hand aufs Herz, Sie kennen dieses Gefühl sicher auch.

Und wenn wir es schon nicht selber können, wie oft wünschen wir uns, dass der Herr der Ernte wenigstens frühzeitig eingreifen und die Welt vom Unkraut säubern würde.

Er tut es nicht, und er erwartet auch von uns, dass wir es nicht tun. Wir werden uns gegenseitig in Geduld und manchmal auch wie ungeliebte Geschwister ertragen müssen. Denn ein Urteil steht uns nicht zu.

Für uns bedeutet das aber auch, dass wir Menschen einander, bei allen Vorbehalten, bei allen Schwierigkeiten, allen Unterschieden und allen Differenzen immer mit einem Höchstmaß an Achtung zu begegnen haben. Gegenseitige Diffamierung, Verächtlichmachung oder gar bewusste Verletzungen darf es unter uns nicht geben. Das Urteil über einen Menschen steht einzig und allein dem zu, der am Ende seine Ernte einbringen wird. Maßen wir es uns nicht an.

Wer weiß denn, ob ich wieder einmal Radieschenblätter als Unkraut betrachten würde, ob ich nicht wieder voreilig entfernen wollte, was genau an dieser Stelle seinen gottgewollten Platz hat.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 16. Juli 2011 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)