Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
3. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 4,12-17)
Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali. Denn es sollte sich erfüllen, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden ist: Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen. Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. (Mt 4,12-17)
Wir stehen im dritten Pandemiejahr, bald ein Jahr russischer Angriffskrieg in der Ukraine, ein Klima, das immer mehr aus den Fugen gerät und Zeiten, die teurer kaum sein könnten - da bietet das heutige Evangelium geradezu eine Steilvorlage: Das Volk, das im Finstern lebt, sieht ein helles Licht!
Was für eine großartige Botschaft: 'Wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her!' Wenn das keine Steilvorlage für die heutige Predigt ist.
Nur, wenn ich Ihnen das heute erzählen würde, ich könnte danach nicht mehr in den eigenen Spiegel schauen.
Liebe Schwestern und Brüder,
es stimmt nämlich nicht!
Erstens sind wir nicht das Volk, das im Finstern lebt. Das können die Menschen in der Ukraine von sich sagen, die Menschen in Syrien, die Menschen in Eritrea und Äthiopien oder die Frauen im Iran.
Die meisten von uns, die allermeisten, die hier leben, sitzen nicht in der Finsternis. Wir jammern auf hohem Niveau, denn es geht uns immer noch verhältnismäßig gut. Den meisten von uns geht es sogar ausgesprochen -, mir geht es ausgesprochen gut.
Wir sind erstens nicht das Volk, das im Finstern lebt. Und zweitens sehe ich kein Licht. Noch sehe ich kein helles Licht, das all die Abgründe, die sich auf dieser Welt auftun, überstahlen würde.
Den Menschen, die wirklich in der Finsternis sitzen, kann ich kein strahlendes Licht verkünden, nicht einmal ein kleines Lichtlein. Ich sehe es nämlich nicht. Vor allem nicht, wenn es um all die selbstverschuldeten Katastrophen auf dieser Welt geht. Allem voran um all das Leid, das das aus den Fugen geratene Klima unter Menschen anrichtet.
Eines aber weiß ich: ich weiß, dass ich genau daran mit Schuld bin.
Es liegt nämlich nicht zuletzt an mir. Und mit mir liegt es an vielen anderen Menschen, denen es in unseren Breiten genau so geht wie mir.
Es geht uns nämlich genau deshalb so gut, genau deshalb leben so viele bei uns noch in übergroßem Wohlstand, weil wir billigend in Kauf nehmen, dass es Menschen anderen Orts, genau deshalb nicht nur schlechter, sondern absolut dreckig geht. Unsere Art zu leben, raubt ihnen das, was sie zum Leben bräuchten.
Und ich sehe nicht, dass sich da etwas daran ändert. Und es ändert sich vor allem deshalb nichts, weil ich eigentlich gar nichts ändern will, weil ich zu bequem bin, zu sehr an meinen Wohlstand und meine Lebensart gewöhnt, als dass ich bereit wäre, auf mehr als nur ein paar Kleinigkeiten tatsächlich zu verzichten.
Und so viele in unserem Land tun es mir in dieser Beziehung absolut gleich.
"Kehrt um!", ist deshalb genau der Satz aus dem heutigen Evangelium, an dem ich wirklich ansetzen müsste.
"Kehrt um!", ruft Jesus unserer ganzen Gesellschaft zu. Denn wenn wir es nicht tun, werden noch mehr Menschen auf dieser Welt vor Hunger sterben, ohne Perspektive auf ein gedeihliches Leben die Heimat verlassen, und dabei dann letztlich im Mittelmeer ertrinken.
Wenn wir es nicht tun, werden noch mehr Wälder brennen, Ernten verdorren und Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren.
Aber ich fürchte, dass ich weiterhin meinen Hintern nicht hoch bekommen werde, dass unsere Wirtschaft auch zukünftig nur an sich denkt und unsere Politik nicht wirklich an die Bedürfnisse der notleidenden Völker.
Vermutlich brauchen wir alle einen gewaltigen Tritt in den Allerwertesten, damit wird denselben endlich bewegen und sich wirklich Substantielles ändert.
Ich hoffe ganz fest darauf, dass die Menschen dieser Erde letztlich allen Grund haben werden, zuversichtlich auf ein strahlendes Licht zu blicken. Aber ich fürchte, dass es zuvor, diesen gewaltigen Tritt braucht. Einen Tritt, damit nicht nur ich meinen Hintern hochbekomme.
Ich hoffe nur, dass er nicht stärker sein wird, als ich ihn am Ende auch ertragen kann.
Amen.
(gehalten am 25./26. Januar 2014 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)