Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
2. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Jes 49,3. 5-6)
Der Herr sagte zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, an dem ich meine Herrlichkeit zeigen will. Jetzt hat der Herr gesprochen, der mich schon im Mutterleib zu seinem Knecht gemacht hat, damit ich Jakob zu ihm heimführe und Israel bei ihm versammle. So wurde ich in den Augen des Herrn geehrt, und mein Gott war meine Stärke. Und er sagte: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht. (Jes 49,3. 5-6)
Kennen Sie den Unterschied zwischen Rom und Küssnacht?
"Durch diese hohle Gasse muss er kommen." heißt es im Wilhelm Tell, "Es führt kein andrer Weg nach Küssnacht."
Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt offenbar Ziele, die man nur auf einem einzigen Weg erreicht.
Küssnacht scheint so eines zu sein. Da gibt es - zumindest nach Friedrich Schiller - nur einen einzigen Weg. Und wer den verfehlt, der hat dann eben Pech gehabt, der wird sein Ziel nie erreichen.
Auch unser Leben hat ein Ziel. Und wenn ich die heutige Lesung ernst nehme, dann steht dieses Ziel im Grunde von vornherein fest. Schon im Mutterleib hat Gott schließlich jenen Gottesknecht, von dem der Prophet Jesaja berichtet, dazu bestimmt diesen für ihn vorgesehenen Platz einzunehmen. Und wir hören von einer ganzen Reihe von Propheten, über die ganz Ähnliches gesagt wird.
Die Richtung ist offenbar von Anfang an festgelegt. Und nicht nur für die Propheten, wahrscheinlich genauso für jeden und jede von uns.
Alles bestimmt! So hört man es ja auch immer wieder: "Es ist alles bestimmt!"
Vielleicht ist es ja so. Vielleicht verfolgt Gott mit jedem und jeder von uns einen ganz bestimmten Plan. Ich kann es mir durchaus vorstellen.
Wenn man damit aber sagen möchte, dass wir ja gar keine andere Wahl hätten, dass wir wie Marionetten etwa einfach an Fäden durchs Leben gezogen würden und gar nicht anders könnten, dann kann ich mit dieser Vorstellung nicht.
Sonst könnte ich mich ja auch damit herausreden, dass ich gar nichts dafür kann, wenn aus mir am Ende der größte Haderlump geworden ist. Ist ja alles bestimmt!
Nein, so einfach ist es ganz sicher nicht. Bestimmt ist vielleicht das Ziel, den Weg gehe ich selber. Und wenn ich andere Wege einschlage, als den, der eigentlich der meine wäre, dann bin ich es, der diese anderen Wege geht - und wenn diese Wege falsch sind, dann habe ich sie gewählt.
Ich stelle mir das so vor, als dass Gott eine Idee - und zwar eine gute Idee - von jedem einzelnen von uns hat, dass es einen Platz gibt, an dem er jede und jeden von uns braucht. Aber ob ich diesen Platz auch einnehme -, davon bin ich überzeugt -, das hängt ein gutes Stück weit von mir selber ab. Es gibt ein Ziel, mein Ziel, das Ziel, das Gott für mich vorgesehen hat - den Weg dorthin muss ich selber gehen und finden muss ich ihn auch.
Aber wie war das mit dem Unterschied zwischen Küssnacht und Rom? Es führt vielleicht kein andrer Weg nach Küssnacht, aber es führen viele Wege nach Rom!
Um mein Ziel zu erreichen, gibt es nie nur einen Weg. Es gibt viele, vielleicht sogar unendlich viele.
Nicht alle sind gleich einfach. Nicht alle führen direkt darauf zu. Manche führen vielleicht sogar davon ab und bisweilen auch in die Irre. Und oftmals kommt es auch vor, dass andere meinen Weg kaputt machen, es mir selbst unmöglich machen, klar zu sehen und mein wirkliches Ziel überhaupt noch zu erkennen.
Gott aber - auch davon bin ich überzeugt - Gott aber verliert dieses Ziel nie aus dem Blick. Denn es ist letztlich sein Ziel, sein gutes Ziel, das er für mich ausgekuckt hat - weil er mich kennt und weil er weiß, was in mir steckt und mir gemäß ist.
Und er greift in mein Leben ein. Er zeigt mir immer wieder, wie ich einen Weg zu diesem Ziel finden kann und wo es wirklich lang geht. Und wenn ich wieder einmal auf irgendwelchen Irrwegen gelandet bin, dann wird er mich immer wieder auf Weggabelungen stoßen lassen, die mich in die richtige Richtung führen. Ob ich sie wähle, ob ich diesen Weg dann auch einschlage, die Chance wirklich bei der Hand packe, das liegt dann natürlich auch an mir.
Aber Gott ist hartnäckig. Er lässt nicht locker. Und er hat einen unheimlichen Dickkopf. Und wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, dann setzt er das auch durch.
Ich denke, er achtet mein ganzes Leben lang darauf, dass ich auch wirklich an mein Ziel gelange - vielleicht mit einigen Blessuren, vielleicht erst nachdem ich mir einige Male den Kopf eingerannt, und letztlich alle Hörner abgestoßen habe. Aber er kriegt das hin. Und ich werde an mein Ziel gelangen.
Denn das ist ja der Unterschied, zwischen Küssnacht und Rom. Es führen schließlich viele Wege nach Rom - und nicht nur nach Rom! Es führen viele Wege sehr viele Wege zum Ziel, zu meinem Ziel - genauso wie zu dem Ihren.
Amen.
(gehalten am 19./20. Januar 2008 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)