Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
14. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Sach 9,9-10)
So spricht der Herr: Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft; er ist demütig und reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin. Ich vernichte die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem, vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündet für die Völker den Frieden; seine Herrschaft reicht von Meer zu Meer und vom Eufrat bis an die Enden der Erde. (Sach 9,9-10)
Dieser Tage berichtete der Deutschlandfunk über "Campus Carry", ein neues Gesetz im amerikanischen Bundesstaat Georgia. Dieses Gesetz besagt, dass Studierende künftig auch Waffen - zumindest Pistolen - mit in die Vorlesungen bringen dürfen. Die Regierung war der Meinung, dass Studierende, die über 21 Jahre alt sind, sich auf dem Weg zum Hörsaal gegen irgendwelche Angriffe verteidigen können müssen. Den Professoren in ihren Büros und den Angestellten der Universität ist das allerdings nicht erlaubt. Sie dürfen keine Waffen tragen.
Der Deutschlandfunk zitierte einen Angestellten, der sich darüber ungeheuer aufregt hat. Ein schlechtes Gesetz sei das! Aber nicht deshalb, weil Studierenden jetzt Waffen erlaubt seien. Schlecht sei das Gesetz, weil er keine Waffe tragen dürfe. Er müsse sich doch auch gegen schießende Studierende verteidigen können!
Liebe Schwestern und Brüder,
können Sie sich vorstellen, dass ich die Welt immer weniger verstehe? Da verlangt jener Angestellte nicht weniger Waffen, er will am Ende einfach auch eine, er will letztlich einfach noch mehr.
Wieso bilden wir Menschen uns immer ein, dass mehr Waffen das Leben am Ende sicherer machen, dass Frieden dadurch gesichert würde, wenn letztlich alle aufrüsten?
Nun, ich weiß, dass da immer wieder eingewandt wird, dass die letzten Jahrzehnte, die Erfahrungen des kalten Krieges das doch gezeigt hätten. Das Kräftegleichgewicht habe den Frieden bei uns doch gesichert.
Gut, bei uns vielleicht. Wir hatten das Glück, dass bei uns all die Waffen nicht zum Einsatz kamen. Aber haben Sie mal nachgeschaut, wo überall in den letzten fünfzig Jahren Menschen ihr Leben gelassen haben und zwar in all den Kriegen, in die Großmächte mittel- oder unmittelbar verwickelt waren? Waffen, die produziert werden, werden auch eingesetzt. Und die Menschen in den Krisenregionen dieser Erde können ein Lied davon singen.
Oder bilden wir uns wirklich ein, dass der Krieg in Syrien etwa jetzt schneller vorüber geht, nachdem Saudi-Arabien wieder neue Waffenlieferungen für zig Milliarden zugesichert bekommen hat? Und soll das unser Beitrag zur Sicherung des Friedens sein, dass wir zu den größten Rüstungsexporteuren weltweit gehören?
Wenn es nicht so traurig wäre, müsste ich jedes Mal darüber schmunzeln, wenn unsere Regierung nicht müde wird zu betonen, dass unsere Waffen ja nicht in Krisengebiete geliefert werden! Ich warte nur auf den Tag, an dem man die bundesdeutsche Bevölkerung damit beruhigen möchte, dass bei uns hergestellte Gewehre den Aufkleber tragen müssen: "Darf nicht zum Töten von Menschen verwendet werden!"
Es wird den Frieden nicht sicherer machen, wenn überall die Rüstungsausgaben in den nächsten Jahren steigen werden. Mit jedem neuen durchgeknallten Regierungschef in irgendeinem Staat dieser Erde steigt die Gefahr, dass die Arsenale, die man angehäuft hat, am Ende auch irgendwo zum Einsatz kommen.
Das ist unerträglich! Liest denn niemand, nicht einmal im sogenannten christlichen Abendland, in dem man auf dem Boden einer christlichen Werteordnung zu stehen vorgibt, was der Gott der Bibel uns ins Stammbuch geschrieben hat?
In der heutigen Lesung, etwa aus dem Buch Sacharja, beschreibt der Prophet schließlich Gottes Programm für einen wirklichen Frieden.
Da steht nichts davon, dass erst die Feinde Israels ihre Waffen niederlegen müssen. Da lesen wir nichts davon, dass das Kräftegleichgewicht erhalten bleiben muss. Da heißt es nicht einmal, dass Gott auch die Waffen aller anderen einsammeln werde.
"Der Herr vernichtet die Streitwagen aus Efraim und die Rosse aus Jerusalem." Es sind die Waffen seines eigenen Volkes, der Kriegsbogen Israels, der vernichtet wird. Von den Waffen der anderen Völker wird nirgendwo gehandelt.
Frieden wird erst dann werden, wenn ich bereit bin, meine Waffen aus den Händen zu legen oder Gott dann selbst eingreift, und sie mir aus der Hand nehmen wird. So steht es in unserer Bibel, unserer Heiligen Schrift.
Das geben wir vor zu glauben! Und gleichzeitig heißt es: Das sei naiv, das wird nicht funktionieren, so gehe das leider nicht auf dieser Welt. Es kann der Frömmste eben nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Sie kennen diese Einwände alle. Und vielleicht teilen Sie sie ja auch.
Und möglicherweise drängt es den einen oder die andere jetzt auch schon richtig zu vehementem Widerspruch. Nur bin ich da - um es gleich zu sagen - die völlig falsche Adresse. Ich habe diese Texte in der Bibel schließlich nicht geschrieben. Sie künden nicht von dem, was ich oder andere Menschen für sinnvoll und richtig halten. Es ist Gottes Botschaft an uns Menschen, die uns die Propheten vermitteln. Es ist Gott, der hier die Meinung vertritt, dass es Frieden mit dem Schwert in der Hand, mit dem Gewehr im Anschlag, letztlich nicht wird geben können.
Und ich bin heute schon gespannt auf den Tag, an dem ich hoffentlich miterleben werde, wie all die, die das anders sehen, wie sie das diesem Gott erklären werden: Ihm erklären werden, dass er naiv sei und die Dinge so, wie er das sieht, einfach nicht funktionieren können. Wie all die dann Gott erklären werden, dass er offensichtlich doch keine Ahnung hat - auf diesen Tag bin ich heute schon gespannt.
Amen.
(gehalten am 8. Juli 2017 in St. Hedwig, Karlsruhe)