Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


23. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Ez 33,7-9)

So spricht der Herr: Du Menschensohn, ich gebe dich dem Haus Israel als Wächter; wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst, musst du sie vor mir warnen. Wenn ich zu einem, der sich schuldig gemacht hat, sage: Du musst sterben!, und wenn du nicht redest und den Schuldigen nicht warnst, um ihn von seinem Weg abzubringen, dann wird der Schuldige seiner Sünde wegen sterben. Von dir aber fordere ich Rechenschaft für sein Blut. Wenn du aber den Schuldigen vor seinem Weg gewarnt hast, damit er umkehrt, und wenn er dennoch auf seinem Weg nicht umkehrt, dann wird er seiner Sünde wegen sterben; du aber hast dein Leben gerettet. (Ez 33,7-9)

"Ich muss Sie vor Gott warnen!"

Hat er das wirklich dann so gesagt? So lautete ja zumindest sein Auftrag, der Auftrag, den der Prophet Ezechiel erhalten hatte.

Liebe Schwestern und Brüder,

genau so haben wir es schließlich eben in der Lesung gehört. Sie erinnern sich an den Wortlaut: "So spricht der Herr: Du Menschensohn, ich gebe dich dem Haus Israel als Wächter; Wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst, musst du sie vor mir warnen."

Ezechiel sollte die Menschen warnen und zwar vor ihm, vor Gott! Das ist stark. Nicht, rede ihnen ins Gewissen, künde ihnen, was ich gesagt habe. Nein, ganz explizit: Warne sie! Warne sie vor Gott!

Jetzt wissen moderne Menschen natürlich gleich zu sagen, dass es sich hier ja um das Alte Testament handelt. Und dass der Gott des Alten Testamentes schon mal dreinschlagen konnte, dass der sich nicht ewig an der Nase herumführen und sich nicht alles gefallen ließ, nein, dass der schon mal selbst eingriff und dass das dann für die Menschen meist alles andere als angenehm war.

Wir aber leben doch im Zeichen des Neuen Testamentes und da ist schließlich alles anders. Da braucht man Menschen nicht mehr vor Gott zu warnen. Aber ist das wirklich so? Es ist doch kein anderer Gott, von dem das Alte Testament handelt. Es ist der Gott Jesu von Nazareth, von dem die Bücher des ersten Bundes künden. Es ist derselbe Gott, den Jesus als Vater verehrte und den er uns als liebenden Vater nahegebracht hat. Ein liebender Vater, ja. Aber auch ein liebender Vater will ernstgenommen werden! Ein liebender Vater ist noch kein Waschlappen und keine Witzfigur, die man sich durchaus noch in den Herrgottswinkel stellt, die aber ansonsten kaum noch Beachtung findet.

Denn wo findet sie denn heute wirklich noch Beachtung, diese Wegweisung Gottes, die absolut dieselbe ist, ganz gleich ob für die Menschen des ersten oder des erneuerten Bundes, ganz gleich ob im Alten oder Neuen Testament. Sie ist ein und dieselbe und sie ist auch noch heute beileibe keine unverbindliche Anleitung für eine mögliche Gestaltung menschlichen Lebens. Sie zeigt uns heute wie damals, dass und wie Leben gelingen kann; und sie zeigt uns nicht minder, dass es grausame Konsequenzen hat, wenn man dieses richtungsweisende Wort einfach in den Wind schlägt. Man findet nicht ans Ziel, wenn man die Wegweiser außer Acht lässt. Man landet bestenfalls in Sackgassen, allzu häufig aber vor irgendwelchen Abgründen. Und wie oft schon haben wir uns in der Geschichte der Menschheit in diese Abgründe gestürzt.

Nein, wir brauchen heute nicht mehr die überkommene Vorstellung, dass Gott dann selbst strafend eingreift. Wir wissen mittlerweile viel zu gut um die Zusammenhänge in dieser Welt, und dass all unser Handeln seine Auswirkungen hat, für uns selbst und für kommende Generationen. Wir wissen viel zu genau, dass es sich rächen wird, wenn wir mit unserem Körper und unserer Gesundheit Raubbau treiben. Und wir wissen nicht minder, dass unseren Umgang mit den Ressourcen dieser Welt die Kinder und Kindeskinder werden ausbaden müssen.

Gottes Wegweisungen sind nicht nur gut gemeinter Rat, sie sind wichtige Voraussetzung dafür, dass wir gemeinsam auf dieser Welt gut miteinander leben können. Es reicht nicht aus, von christlicher Politik zu sprechen. Man muss sie auch machen! Es reicht nicht aus, davon zu reden, dass man hier "zu Gast bei Freunden" sei, wenn Menschen gleichzeitig erleben müssen, wie Anträge von Hilfesuchenden reihenweise nach "Schema F" abgelehnt und Fremde wieder abgeschoben werden. Es wird keinen Frieden auf dieser Welt geben, solange wir an der Festung Europa bauen und vor allem anderen dafür Sorge tragen, dass diejenigen, die schon haben, auch weiterhin und immer mehr haben.

Vor Zeiten war es Sache der Propheten, diese Zusammenhänge ins Wort zu bringen. Ihre Mahnung hallt bis heute nach. Sie warnen die Menschen auch heute noch. Denn Gottes Aufruf sich zuallererst dem Schwachen zuzuwenden, darauf zu achten, dass alle - und das meint wirklich alle - tatsächlich versorgt sind, diesen Aufruf in den Wind zu schlagen, das führt in die Katastrophe, so wie wir Menschen schon so oft Katastrophe um Katastrophe selbst herbeigeführt haben.

"Ich muss Sie warnen" musste ein Prophet Ezechiel damals den Menschen zurufen. Er musste sie vor dem Abgrund warnen, auf den sie sehenden Auges zumarschierten. "Ich muss Sie vor Gott warnen", würde er auch heute sagen. Denn Gott meint es ernst. Seine Worte sind keine schöne Literatur, die man sich immer wieder einmal zur Entspannung gerne 'reinzieht. Seine Worte sind todernst. Sie sind Wegweisung, Warnschilder vor Irrwegen und Abzweigungen, die unweigerlich in den Abgrund führen.

Gott ist kein unverbindlicher Märchenonkel. Er meint es wirklich ernst. Muss man uns erst wieder vor ihm warnen?

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 6./7. September 2014 in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)