Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Predigt am Karfreitag

 

Musste das sein?

Hat es das wirklich gebraucht?

War dieses bestialische Kreuzesopfer tatsächlich notwendig?

Liebe Schwestern und Brüder,

ja, sagen die Theologen des Mittelalters, und seither liest man so etwas bis heute. Der Mensch habe sich so mit Schuld beladen, dass nur dieses Opfer in der Lage war, all die Vergehen der Menschheit Gott gegenüber auszugleichen. Gott habe dieses Opfer fordern müssen, weil seine Gerechtigkeit genau das verlange.

Aber was ist das dann für ein Gott? Ist das unser Gott?

Ein Gott, der so gefangen wäre in seinem eignen System von ausgleichender Gerechtigkeit, dass ihm selbst nichts anderes übrig bliebe, als dieses blutrünstige Opfer?

Ich will das nicht glauben.

Aber dann lese ich in der Schrift, wie dort immer wieder davon gesprochen wird, dass dieser Jesus wie ein Lamm für unsere Sünden geschlachtet wurde, dass er sein Leben als Sühnopfer hingegeben hat und es keinen anderen Weg gegeben hätte.

Wie soll ich das auf die Reihe bekommen? Heißt das denn wirklich, dass Gott Vater dieses Opfer verlangt hätte? Will ein Gott, der verhindert hat, dass Abraham seinen eigenen Sohn opfert, will dieser Gott tatsächlich ein solches Opfer?

Ich glaube, wenn man nicht bei den überkommenen Formulierungen stehen bleibt, ich glaube, wenn man den Blick ein wenig weitet, und wenn man von diesem Jesus Christus her denkt, dann öffnet sich vielleicht doch noch eine etwas andere Perspektive.

Dieser Jesus Christus ist der Erlöser und er gibt, wie er selbst sagt, als der gute Hirte sein Leben für seine Freunde. Und dies, das ist für mich der eigentliche Schlüssel zu einem vielleicht besseren Verständnis.

Jesus Christus gibt uns sein Leben.

Es geht um das Leben, nicht um den Tod.

Nicht dass dieser Jesus gestorben ist, ist das eigentlich Entscheidende, entscheidend ist für mich, dass er gelebt hat, und dieses Leben hat er für uns gelebt. Er hat sich für uns hingegeben.

Ich glaube, wer den Karfreitag für sich allein betrachtet, wer nur auf die Kreuzigung, nur auf den Tod schaut, der wird diesem Jesus nicht wirklich gerecht und er erfasst auch nicht, was der tatsächlich für uns getan hat.

In Jesus ist uns Gott auf Augenhöhe entgegen gekommen, hat er uns gleichsam an die Hand genommen und uns dabei vorgelebt, wie man leben kann ohne Gewalt, ohne Allmachtsphantasien, ohne die Ellbogen auszupacken und nur darauf zu schielen, wie man den einen übers Ohr hauen und die andere übervorteilen kann.

Hier hat uns einer vorgelebt, dass man der Spirale der Gewalt ein Ende setzen und die Teufelskreise durchbrechen kann, und dass unsere Welt nur dann eine Zukunft hat, wenn wir endlich damit ernst machen, wenn wir selbst damit anfangen wenn einer den Anfang macht.

Er hat das getan, konsequent, wohlwissend, dass man auf diesem Weg unter uns Menschen fast zwangsläufig unter die Räder kommt. Und er hat dabei klar gemacht, dass man diesen Weg trotzdem gehen kann, weil Misserfolg keine Kategorie ist, die wirklich Bestand haben wird, weil, in den Augen der Welt zu scheitern, letztlich noch gar nichts bedeutet. Weil selbst die Vernichtung, selbst der Tod, das grausame Todesurteil, nicht das letzte Wort haben wird.

Genau dieses Todesurteil aber, das hat nicht Gott gesprochen! Und das ist für mich heute das Wesentliche. Gesprochen haben dieses Todesurteil die Menschen.

Der Tod Jesu war beschlossene Sache, aber nicht von Gott - beschlossen war er von uns Menschen. Denn nicht Gott, uns hat sich dieser Jesus geopfert, er hat sich uns geopfert.

Menschen dachten es zum Bösen, Menschen beschlossen den Tod. Gott hat den Tod aber durchbrochen, er dachte es zum Guten; denn der Vater will das Leben, nicht den Tod, auch nicht den Tod des Sohnes. Den haben die Menschen beschlossen.

Gott brauchte das Sterben nicht, letztlich gebrauchte er es. Es war vielleicht unumgänglich, folgerichtig, weil Menschen offenbar so sind, wie Menschen eben immer schon so waren. Vielleicht war das Sterben Christi deshalb sogar notwendig. Not wendend war es alle Mal.

Es hat unsere Not gewendet. Tod und Auferstehung sind für uns Christen jetzt ganz real wie die beiden Seiten einer Medaille geworden. Denn jetzt ist offenkundig, was Menschen seit Urzeiten möglicherweise erahnten, was seit Ostern aber verbürgt ist:

Gott ist ein Gott des Lebens und nicht des Todes und er will das Leben - auch das unsere; und er will, dass wir es in Fülle haben.

Dieses Leben leuchtet bereits jetzt auf. Denn durch Jesus Christus, durch sein Sterben und sein Auferstehen, durch ihn leuchtet dieses neue Leben schon durch den Tod hindurch. Durch Jesus Christus leuchtet das Leben auch schon durch unseren Tod.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 29. März 2023 in der Kirche Hl. Kreuz, Ettenheim-Münchweier)