Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
13. Juni - Gedenktag des Heiligen Antonius von Padua
Wissen Sie eigentlich, warum St. Anton St. Anton heißt?
Ich weiß es nicht. Ich habe in den letzten Tagen zig Leute gefragt, aber eine wirkliche Antwort konnte mir letztlich niemand geben.
Im Archiv von St. Paul, von wo aus die Kirche hier in der Südstadt ja gebaut worden ist, findet sich lediglich der Beschluss, dass die Antoniuskirche eben so heißen solle. Warum, wird nirgendwo gesagt.
Da und dort munkelt man, dass Pfarrer Anton Menzer ganz einfach seinen Namenspatron für die neue Kirche gewählt habe. Aber reicht das als Erklärung schon aus?
Liebe Schwestern und Brüder,
ich würde jetzt was darum geben, den Anton Menzer fragen zu können. Ich würde den so gerne fragen, was hast du, was habt ihr euch damals denn dabei gedacht, als ihr für die Antoniuskirche diesen Namen und diesen Patron gewählt habt. Ich würde ihm sagen, dass ich mit dem Antonius von Padua eigentlich gar nicht so viel anfangen kann.
Was fällt einem denn ein, wenn man an den Heiligen Antonius denkt. Das ist doch der, dem man früher fünf Mark versprochen hat, wenn man was verloren hatte. Und das ist ja schon eine ganz eigenartige Geschichte; als ob man Wunder gleichsam kaufen könnte. Damit hatte ich noch nie viel am Hut.
Und auch nicht mit den vielen Bildern und noch viel mehr Statuen, auf denen Antonius von Padua in der braunen Franziskanerkutte dargestellt ist, mit dem Jesuskind auf dem Arm und einem oft recht ausdruckslosen Lächeln auf den Lippen, als würde er schon meterhoch über dem Erdboden schweben. Solche meist recht süßlichen Darstellungen haben mich noch nie angesprochen.
Und die passen doch auch gar nicht zu einem Anton Menzer, der mit beiden Beinen auf dem Boden stand und mit beiden Händen angepackt hat, wenn es notwendig war - und wo war es das damals nicht...
Was mögen die sich wohl damals gedacht haben? Ich würde es so gerne wissen! Und wissen Sie was? Ich frag' ihn jetzt ganz einfach: den Anton Menzer. Ich frag ihn jetzt:
Anton, was habt ihr euch denn wirklich dabei gedacht, als ihr 1953 den Antrag gestellt habt, die neue Siedlungskirche unter das Patronat des Antonius von Padua zu stellen. Sag's mir, denn ich hab da so meine Schwierigkeiten mit so manchem Bild, das man von diesem Antonius in der Geschichte so gezeichnet hat.
Und ich glaube ich hör' ihn, ich glaub' ich weiß, was Anton Menzer antwortet.
"Hast recht ", sagt er, "diese Bilder sind wirklich eigenartig. Deshalb haben wir damals ja schon bei der Einweihung der Antoniuskirche in der kleinen Festschrift, die wir dazu herausgegeben haben, einen Abschnitt aus einem zu unserer Zeit schon recht alten Buch abgedruckt. Hast du es gelesen?
Der Abschnitt beginnt mit den Sätzen: "Es muß einmal gesagt werden: der Heilige, wie wir ihn aus abertausend Gemälden und Bildwerken kennen, der lächelnde Jüngling im Franziskanerhabit, der das Jesuskind auf dem Am trägt, ist nicht der wahre Antonius von Padua. Irgendeine zufällige Erzählung aus dem Legendschatz hat den Anlaß gegeben, daß sich die Künstler der ganzen Welt verschworen haben, ihn so und nur so darzustellen. Dadurch ist er ins Volksbewusstsein eingegangen als der liebreiche Kinderfreund, als der gütige Geber mit den offenen Händen, der jeder Bitte Gewährung nickt und alles Verlorene wieder herbeischafft."
Damit hat man Antonius keinen guten Dienst erwiesen, denn der war ganz anders.
Dass da ein reicher Adliger ausgerechnet in einen Bettelorden eingetreten ist, alles zurückgelassen hat, um Christus nachzufolgen, das hat mich immer schon an ihm begeistert. Da war er seinem Vorbild Franz von Assisi ganz ähnlich.
Und dabei war er einer der gescheitesten Köpfe seiner Zeit, ohne sich deswegen in geistige Höhenflüge zu versteigen. Er hat die kompliziertesten Zusammenhänge so ausgedrückt, dass die Menschen sie verstehen konnten. Und das brauchen wir doch! Das braucht es auch heute.
Große Worte und viel Papier gibt es genug. Es braucht die Menschen, die das übersetzen können in die Sprache und in das Leben der Menschen hinein.
Und Antonius hat den Leuten dabei durchaus nicht nach dem Mund geredet! Dass es wichtig ist, sich mit seinem Glauben auseinanderzusetzen und verantwortet an den Glauben heranzugehen, das hat er klar zum Ausdruck gebracht. Und für ihn hieß dies, Beschäftigung mit der Heiligen Schrift, mit der Grundlage unseres Glaubens.
Und das war für die Menschen zu unserer Zeit in den Fünfzigern und Sechzigern eine ganz wichtige Botschaft. Fahrten, Feste feiern, Bazare ausrichten, da waren die Leute gleich dabei, damit konnte man immer kommen. Ja, und auch der Rosenkranz und die Andachten wurden durchaus gut angenommen. Aber wenn man den Leuten mit der Bibel kam, wenn wir uns mit dem Alten und dem Neuen Testament auseinandersetzen wollten, dann war plötzlich keiner mehr zu sehen. Richtig schämen konnte man sich da im Blick auf die evangelischen Gemeinden, wo fast jeder seine Bibel kannte. Und die Katholiken glänzten immer nur durch ihr Nichtwissen.
Ich weiß nicht, ob das bei euch heute sehr viel besser ist.
Da ist Antonius ein Mahner, den man nicht überhören sollte, denn ohne die Bibel geht uns der Boden unter den Füßen unseres Glaubens verloren. Und ohne Fundament kommt einem der schönste Glaube ganz schnell ins Rutschen.
Aber das ist noch lange nicht alles. Anlässlich des 800. Geburtstages des Heiligen im Jahre 1995 hat ihn ein Professor als ein Verteidiger der Menschenrechte bezeichnet. So haben wir das zu unserer Zeit natürlich noch nicht gesagt, aber in der Sache war uns das auch klar. Denn in seinen Ansprachen geißelte Antonius politische und soziale Verhältnisse, setzte sich zum Beispiel für die Freilassung zahlungsunfähiger Schuldner aus dem Gefängnis ein.
Gegen kirchliche Würdenträger und verweltliche Ordensleute hat er genauso mutig Stellung bezogen wie gegen Politiker, Beamte, falsche Advokaten und Richter, die nur ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen wollten - und das auf Kosten der Menschen, für die sie bestellt sind.
Ich denke, das ist für eure Zeit noch viel aktueller, als es für die unsere gewesen ist."
Liebe Schwestern und Brüder,
ich glaube, das würde er mir zur Antwort geben, Anton Menzer, dem wir das Antoniuspatrozinium hier in der Südstadt verdanken. Ich weiß nicht, ob er es genau so sagen würde, aber viel anders klänge es vermutlich nicht.
Und wahrscheinlich würde er dann am Ende noch mit einem Augenzwinkern hinzufügen:
"Ach ja, und dass der Antonius von Padua gleichzeitig auch noch mein eigener Namenspatron gewesen ist, hat meiner Begeisterung für ihn natürlich keinen Abbruch getan, ganz im Gegenteil."
Und wer von uns will ihm das heute wohl verdenken.
Amen.
(gehalten am 17. Juni 2007 in der Antoniuskirche, Bruchsal)