Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Weihnachten - Am Tag (Joh 1,1-5. 9-14)
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. (Joh 1,1-5. 9-14)
Wie war das? Worte sind Schall und Rauch?
Liebe Schwestern und Brüder,
das stimmt doch überhaupt nicht. Als ob Worte keine Bedeutung hätten! Ein Wort kann gebrochen werden und das tut weh. Jedes auch nur gesprochene Wort entfaltet eine Wirkung - und ganz besonders ein geschriebenes.
Geschriebene Worte, Verträge etwa, sie vermitteln Sicherheit. Und dann sind sie wieder Grund für ungeheure Enttäuschung. Das wissen jeder und jede, die schon einmal von einer Versicherung eine Entschädigung gewollt haben und dabei bemerken mussten, wie sehr sie durch geschriebene Worte - das Kleingedruckte nämlich - übers Ohr gehauen worden sind.
Worte sind nie einfach nur Schall und Rauch. Ein Wort bewirkt immer etwas: Das gebrochene Wort hinterlässt Enttäuschung, das mitfühlende Wort kann heilen und das erklärende Wort gibt Erkenntnis und Sicherheit. Jedes Wort hat seine Bedeutung und jedes Wort hat deshalb auch eine Wirkung.
Das ging mir dieser Tage wieder auf, als unser ehemaliger Bundesinnenminister immer wieder davon sprach, dass die Zahlen deutlich gestiegen seien - die Zahlen der "illegalen Grenzübertritte" nämlich. Ich erinnere mich noch gut daran, dass der gleiche Innenminister vor wenigen Jahren noch von "Flüchtlingszahlen" gesprochen hat. Damals waren es "Flüchtlinge", heute sind es "Grenzübertritte" und zwar "illegale".
Das sind nur Worte, aber sie bewirken etwas. Ein illegaler Grenzübertritt ist bei uns schließlich eine Straftat. Menschen, die vornehmlich aus dem Irak und aus Afghanistan geflohen sind, aus Ländern, die durch unsägliche Kriege destabilisiert wurden, Menschen, die alles zurückgelassen haben, weil sie in ihrer Heimat keine Perspektive mehr sehen, sie sind im Sprachgebrauch der Politik nicht zuerst Menschen, die unsere Hilfe brauchen, es sind welche, die eine Straftat begehen, unerlaubt und illegal unsere Grenze überschreiten.
Solche Worte sind nicht Schall und Rauch, solche Worte bewirken etwas. Zumal sie von den Medien genau so aufgegriffen und immer wieder aufs Neue verbreitet werden.
Ein Wort entfaltet immer seine Wirkung.
Das sei auch denen gesagt, die sich so sehr darüber aufregen, wenn Menschen großen Wert darauf legen, die männliche und die weibliche Form zu verwenden. Es bewirkt nämlich etwas. Das hat eine Bedeutung, ob ich beim Vortrag der Lesung oder des Evangeliums "liebe Brüder" oder "liebe Schwestern und Brüder" sage.
Und all diejenigen, die so gerne betonen, die weibliche Form sei doch immer mitgedacht, wenn man die männliche verwendet, die mögen die Probe aufs Exempel machen. Wenn ich davon spreche, dass bei einer Veranstaltung 15 Erzieher teilgenommen haben, haben Sie dann das Bild von Männern im Kopf oder denken Sie tatsächlich an 15 Frauen?
Worte bewirken etwas. Sie prägen unsere Vorstellung. Sie beeinflussen unser Denken und unser Bewusstsein.
Am Anfang war das Wort! Nicht umsonst beginnt das Weihnachtsevangelium mit diesem Satz.
Die Menschen der Bibel wussten darum, dass jedes Wort seine Wirkung entfaltet. Worte sind nie Schall und Rauch. Worte sind wirkmächtig.
Deshalb kann der Hauptmann von Kapharnaum zu Jesus auch sagen: "Sprich nur ein Wort!" Denn er wusste darum, dass ein solches Wort nicht umsonst gesprochen ist.
Gott hat durch ein Wort die Welt ins Dasein gerufen. Sein göttliches Wort ist in Jesus Christus Mensch geworden. Gottes Wort ist Mensch geworden, damit wir diesen Gott verstehen lernen.
Achten wir auf sein Wort. Achten wir aber genauso auf jedes andere Wort. Achten wir darauf, was Menschen wohl im Sinn haben, wenn sie genau dieses und kein anderes Wort verwenden. Achten wir darauf, welche Worte wir benutzen, denn sie können heilen und sie können verletzen. Und danken wir für das Wort, das Gott uns heute schenkt, das Wort, das in seinem Sohn als Kind in der Krippe Mensch geworden ist.
Amen.
(gehalten am 25. Dezember 2021 in den Kirchen St. Marien, Ettenheimweiler, und St. Batholomäus, Ettenheim)