Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


14. September - Fest Kreuzerhöhung (Num 21,4-9)

In jenen Tagen brachen die Israeliten vom Berg Hor auf und schlugen die Richtung zum Schilfmeer ein, um Edom zu umgehen. Unterwegs aber verlor das Volk den Mut, es lehnte sich gegen Gott und gegen Mose auf und sagte: Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt? Etwa damit wir in der Wüste sterben? Es gibt weder Brot noch Wasser. Dieser elenden Nahrung sind wir überdrüssig. Da schickte der Herr Giftschlangen unter das Volk. Sie bissen die Menschen, und viele Israeliten starben. Die Leute kamen zu Mose und sagten: Wir haben gesündigt, denn wir haben uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt. Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit. Da betete Mose für das Volk. Der Herr antwortete Mose: Mach dir eine Schlange, und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht. Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Fahnenstange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben. (Num 21,4-9)

"Im dritten Jahr Hoscheas, des Sohnes Elas, des Königs von Israel, wurde Hiskija, der Sohn des Ahas, König von Juda. (...) Genau wie sein Vater David tat er, was dem Herrn gefiel. Er schaffte die Kulthöhen ab, zerbrach die Steinmale, zerstörte den Kultpfahl und zerschlug die Kupferschlange, die Mose angefertigt hatte und der die Israeliten bis zu jener Zeit Rauchopfer darbrachten - man nannte sie Nehuschtan (Kupferbild). (1 Kön 18,1-4)"

Liebe Schwestern und Brüder,

das berichtet die Bibel über König Hiskija: die Kupferschlange, die Mose hatte anfertigen lassen und von der wir eben in der Lesung gehört haben, die hat er zerstört. Und deshalb wird er gelobt, deshalb war er ein König, an dem Gott sein Gefallen hatte.

Ist das nicht eigenartig?

Die gleiche Bibel schildert doch, dass Mose dieses Schlangenbild gleichsam auf Gottes Geheiß hatte herstellen lassen. Es war doch ein uraltes und wertvolles Symbol. Es stammte schließlich noch aus der Zeit der Wüstenwanderung. Und man hatte diesem alten Zeichen sogar einen Ehrenplatz geschaffen. Es stand im Tempel. Es war hochverehrt. Die Menschen erhofften sich immer wieder Heilung von diesem alten Bild. Hatte es nicht in der Wüste auch all die, die von einer Schlange gebissen worden waren, postwendend geheilt?

Ein wundertätiges Bild, eines, auf das die Menschen vertrauten und von dem sie sich Hilfe erwarteten. Dieses Bildnis hatte Hiskija zerstören lassen. Und das soll gut gewesen sein?

Ja, Hiskija tat, was dem Herrn gefiel. Dieses Bild zu entfernen, eines, von dem sich die Menschen Hilfe erhofften, das war ein gottgefälliges Werk. Denn es war nichts als Kupfer, dieses Bild - nur Kupfer, nichts Wundertätiges.

Nie haben Bilder nämlich Wunder getan. Keine Kupferschlange, keine Steinaltäre, keine Heiligenfiguren und keine Marienstatuen.

Figuren sind Bilder. Und Bilder sind Dinge. Und Dinge wirken keine Wunder. Nicht einmal in der Wüste.

Es war doch nicht das Kupferbild, das die Menschen gesund gemacht hatte. Es war das Vertrauen der Menschen auf Gott, das Vertrauen in Gottes Kraft und seinen Beistand. Es war der Glaube an ihn. Und dieser Glaube rettet - keine Bilder.

Vielleicht ist es ganz gut, dass wir gerade heute an diesen Zusammenhang erinnert werden. Denn heute feiern wir das Fest Kreuzerhöhung. Und was hier über Bilder und deren Verehrung im Allgemeinen gesagt ist, das gilt auch für das Kreuz.

Nicht zuletzt das Kreuz stand schließlich immer wieder - wie diese Kupferschlange - in großer Gefahr, gründlich missverstanden zu werden.

Das sogenannte "wahre Kreuz", die Reliquie des Kreuzes Christi, war ja immer wieder als wundertätig verehrt worden. Ja, die Kreuzfahrer nahmen die Kreuzreliquie sogar mit in die Schlacht und trugen sie voran. Und sie erhofften sich von ihr, dass sie die Feinde bezwingen und dafür sorgen würde, dass man die muslimischen Heere in Stücke hauen könne.

Aber Holz wirkt keine Wunder. Und das Kreuz - selbst das Kreuz Christi - ist nichts anderes als Holz.

Wenn wir heute Kreuzerhöhung feiern, feiern wir kein Holz. Wir feiern den, dessen Tod dieses Holz zu einem ungeheuer dichten Symbol werden ließ. Wir denken an Christus, der am Kreuz gelitten hat. Und wir denken daran, dass er uns in seinem Leiden vorangegangen ist, dass wir selbst dieses Kreuz auf uns nehmen müssen - jeder auf seine und jede auf ihre Art, dass auch wir sterben werden, jeder Einzelne von uns.

Aber vor allem anderen denken wir daran, und das feiern wir heut' ganz besonders, dass der, der am Kreuz gestorben ist, den Tod überwunden hat, dass das Kreuz durch seine Auferstehung zum Siegeszeichen geworden ist, zum Symbol der Auferstehung, zum Bild dafür, dass der Tod alle Macht verloren hat.

Wir müssen nicht nur unser Kreuz auf uns nehmen, wir können das Kreuz auch tragen, und wir können es sogar als Symbol tragen, als Symbol unserer Hoffnung. Denn so, wie Christus uns nie verschwiegen hat, dass der Weg, der vor uns liegt, durch Leid und Tod hindurchführt, so hat er uns von Anfang an verheißen, dass er uns auch hineinnimmt in seine Auferstehung.

Was nämlich kein Bild vermag, was kein Holz zu wirken in der Lage ist - Gott kann es: Er allein kann machen, dass niemand im Tode bleibt.

Und Christus sagt, dass er genau das auch tut.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 13./14. September 2003 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)