Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
2. Februar - Fest der Darstellung des Herrn (Lk 2,22-32 mit Mal 3,1-4)
So spricht Gott, der Herr: Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt!, spricht der Herr der Heere. Doch wer erträgt den Tag, an dem er kommt? Wer kann bestehen, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer im Schmelzofen und wie die Lauge im Waschtrog. Er setzt sich, um das Silber zu schmelzen und zu reinigen: Er reinigt die Söhne Levis, er läutert sie wie Gold und Silber. Dann werden sie dem Herrn die richtigen Opfer darbringen. Und dem Herrn wird das Opfer Judas und Jerusalems angenehm sein wie in den Tagen der Vorzeit, wie in längst vergangenen Jahren. (Mal 3,1-4)
Es kam für die Eltern Jesu der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihn, gemäß dem Gesetz des Herrn, in dem es heißt: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe. Jetzt wurde er vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel. (Lk 2,22-32)
Die alttestamentliche Lesung im Gottesdienst wird meistens auf das Evangelium abgestimmt. Manchmal merkt man es gleich. Manchmal muss man den Zusammenhang mehr als nur suchen. Heute ist er offensichtlich: "Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht." Diese Verheißung aus dem Maleachi-Buch findet im Evangelium des heutigen Tages schließlich ihre Erfüllung.
Und sie findet diese Erfüllung gleichzeitig nicht!
Liebe Schwestern und Brüder,
die Erwartung, die mit der Maleachi-Stelle verbunden war, war schließlich eine ganz andere: Machtvoll, prächtig, unübersehbar so würde der Bote Gottes, der Messias des Herrn, schließlich nach der Vorstellung seiner Zeitgenossen in Erscheinung treten - so, dass man seinen machtvollen Anblick als kleiner Mensch schier gar nicht ertragen kann. Das war die Erwartung der Menschen damals.
Die übrigens ist gar nicht so viel anders als das, was sich Christen bis heute vorstellen. Nein, natürlich wissen wir darum, dass der Messias nicht als mächtiger König Einzug in die Welt gehalten hat. Dass diese Erwartung überzogen war und dieser Jesus kein politischer Machthaber gewesen ist, das ist heute allen klar. Aber dass die Ankunft des Messias etwas Besonderes war, dass sein Wirken aufsehenerregend und umwerfend gewesen sein muss, diese Vorstellung haben doch die meisten auch heute.
Wie oft höre ich: "Ja, wenn man damals gelebt hätte, wenn man all das hätte erleben können, wovon die Evangelien berichten - damals wäre das mit dem Glauben einfach gewesen, viel einfacher als das heute ist." Und dabei stellen sich die Menschen vor, dass Jesu Weg von unzähligen auffälligen Wundern begleitet war, dass seine Person eine Ausstrahlung hatte, die alles andere in den Schatten stellte.
"Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht…"
Und es kam ein plärrendes Kind.
Da war absolut nichts Spektakuläres, überhaupt nichts Aufsehen Erregendes. Und ich wette mit Ihnen, dass wir alle damals hätten dabei sein können, und kaum eine von uns, wenn überhaupt einer, hätte irgendetwas Auffälliges bemerkt. Die Menschen damals hatten es kein bisschen einfacher, zum Glauben an diesen Jesus von Nazareth zu kommen, als wir es heute haben. Es war zu keiner Zeit leichter zu glauben, denn Glauben bedeutet immer, sich auf diesen Gott verlassen, diesem Gott zu vertrauen, sich vertrauensvoll fallen zu lassen. Wir hätten damals im Tempel stehen können und hätten vermutlich absolut nichts Besonderes bemerkt.
Es waren gerade einmal eine alte Frau und jener alte Mann, einer, der schon jahrelang auf diesen Augenblick gewartet hatte, der in die Stille hörte, Gottes leise Töne zu vernehmen in der Lage war und dessen unscheinbare Spuren in unserem Leben zu entschlüsseln, nicht umsonst war es er, der hinter dem Säugling das Große und Mächtige zu entdecken vermochte, das Gott da unter uns Menschen gewirkt hat.
Den Messias Jesus findet man nicht in großen Wundertaten, nicht hinter Schlagzeilen und mediengerecht servierten Ereignissen. Den Messias Jesus entdeckt man, wenn man die leisen Töne zu hören in der Lage ist, wenn man dahinterschauen kann und die Fähigkeit hat, das Geheimnis des Augenblicks zu ergreifen. Das kann man heute genauso gut wie damals. Das ist heute genauso einfach, wie es damals schwer gewesen ist.
Glaube ist keine Sache der großen Spektakel, Glaube ist ein sehr stilles, sehr zerbrechliches und sehr persönliches Geschehen. Und es geschieht zu allen Zeiten gleich. Es ereignet sich dort, wo Menschen mit dem Herzen zu sehen in der Lage sind. Denn genau dort werden sie, manchmal beim Anblick eines kleinen Kindes, ganz einfach begreifen und laut ausrufen: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen…
Amen.
(gehalten am 1./2. Februar 2014 in den Kirchen der Pfarrei St. Peter, Bruchsal)