Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Predigt an Fronleichnam
Es soll dort keine Kreuzesdarstellungen geben.
Liebe Schwestern und Brüder,
in einem Filmbericht habe ich das letzthin gehört. Unter all den vielen Bildern, die sich in den Katakomben in Rom aus der frühen Christenheit finden, gäbe es keine Kreuzesdarstellung. Man findet den guten Hirten, die Auferweckung des Lazarus, die Anbetung der Könige - vieles, aber kein Kreuz.
Ich kann das schwer nachprüfen, aber vorstellen kann ich es mir sehr gut.
Das Kreuz ist schließlich ein ganz eigenes Symbol. Wir haben das weithin vergessen. Zu alltäglich ist dieses Zeichen schon geworden. Und häufig ist es ja schon zu einem reinen Schmuckaccessoire verkommen.
Dabei passen zu einem Kreuz eigentlich nichts weniger als Brillanten oder sonstige Edelsteine. Ein Kreuz ist schließlich alles andere als ein Schmuckgegenstand - zumindest für Menschen, die wohl noch erlebt haben, wie man an diesem Marterinstrument Verurteilte grausam zu Tode gequält hat.
Und in den ersten Jahrhunderten dürften viele Christen wohl noch ganz reale Kreuzigungen erlebt haben. Das Kreuz war schließlich nichts anderes als ein Galgen und ein sehr blutiger obendrein.
Zunächst einmal steht es für das Sterben, das grausige Sterben von Menschen, und allem voran den Tod Jesu von Nazareth.
Ich hab' deshalb manchmal kein gutes Gefühl, wenn die ein oder andere christliche Gruppe nur das Kreuz, aber auch nur das Kreuz betont. Da und dort bleibt tatsächlich nur noch das Sterben Christi, sein grausamer Tod, sein Opfer am Kreuz, das dann am Ende allein die Erlösung darstellen soll.
Und dabei ist für uns doch immer beides wichtig: natürlich das Sterben, aber nicht minder - ja umso mehr - die Auferstehung. Denn ohne sie, ohne dass der Vater den Sohn nicht im Tod gelassen hat, ohne die Auferweckung am Ostermorgen, wäre das Sterben ein sinnloses Gemetzel gewesen.
Keine Angst, ich bin weit davon entfernt, dem Kreuz seine Bedeutung nehmen zu wollen. Ganz im Gegenteil. Aber es muss immer wieder betont werden, dass es für uns beide Dimensionen beinhaltet. Es steht für den Tod aber genauso für die Auferstehung. Es ist Marterinstrument aber auch Siegeszeichen, denn es symbolisiert nicht minder den Triumph über den Tod.
Beim Kreuz mag man das manchmal übersehen, bei jenem anderen Zeichen besteht diese Gefahr aber nicht - absolut nicht.
Und deshalb bin ich umso froher, dass wir nicht minder dieses Symbol besitzen, eines, das über alles andere hinausweist, eines, das alles andere sogar übersteigt: das Zeichen des Brotes nämlich, der Eucharistie. In ihr kommt alles zum Tragen, was uns Christen wichtig ist.
Das Brot des Lebens, das wir heute feiern, bringt alles in den Blick, was unseren Glauben letztlich ausmacht: Denn es ist Brot - und so wie das Brot den Menschen nährt und sein Leben erhält, so ist unser Glaube einer, der leben hilft.
Und dieses Brot wird gebrochen im Gedächtnismahl. Ein Mahl aber wird erst dann ein Festmahl, wenn es Menschen gemeinsam halten. So wie die Eucharistie immer für Gemeinschaft steht, letztlich die Gemeinschaft der ganzen Kirche.
Und sie steht für die Gemeinschaft mit dem Auferstandenen: Denn unter diesem Zeichen ist er wahrhaft zugegen, hat er uns zugesagt, dass er bei uns ist, bis zum Ende der Welt, und das, wann, wo und wie es auch sei.
Die Eucharistie aber macht uns auch unserer Verantwortung bewusst. Denn sie ist Brot für das Leben der Welt - und das bringt auch das tägliche Brot in den Blick, das alle Menschen auf dieser Welt zum Leben brauchen und das ihnen nicht vorenthalten werden darf, vor allem nicht dadurch, dass unser selbstherrliches Verlangen nach Mobilität und die damit verbundene immer größere Ausmaße annehmende Agrosprit-Produktion die Brotpreise weltweit in die Höhe treiben. Die Eucharistie ist auch das Brot, das uns an unserer Aufgabe erinnert, allen Menschen dieses Brot, das sie zum Leben brauchen, zuteilwerden zu lassen.
Aber sie ist auch das Brot, das weit über dieses Leben hinausweist. Denn in ihm macht uns Christus selbst deutlich, dass Gott kein Interesse am Tod hat, nicht am Tod des Sünders, nicht an unserem Tod, dass er das Leben will und dass er will, dass wir dieses Leben in Fülle haben, über den Tod hinaus.
Darstellungen der Eucharistie, des Abendmahles, der Emmausjünger, solche Bilder finden sich in den Katakomben zuhauf. Denn die Eucharistie ist das vorzüglichste Bild unseres Glaubens, eines Glaubens, der lebensbejahend ist, der sich der Welt in all ihren Erscheinungsformen zuwendet, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt und dem Leben der Menschen dienen will, eines Glaubens, der der frohen Botschaft würdig ist, die Gott selbst unter uns Menschen gebracht hat, jener frohen Botschaft, die selbst den Tod in den Schatten stellt.
Für diesen Glauben stehen wir, diesen Glauben verkünden wir, und zum Zeichen tragen wir heute - natürlich das Kreuz, aber erst recht - das Brot des Lebens durch die Straßen unserer Stadt, weil Gott das Leben will und weil er es für uns alle will.
Amen.
(gehalten am 22. Mai 2008 im Ehrenhof des Schlosses, Bruchsal)