Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Fest der Taufe des Herrn - Lesejahr A-C (Jes 42,5a. 1-4. 6-7)
So spricht Gott, der Herr: Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht. Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Straße erschallen. Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf sein Gesetz warten die Inseln. Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien. (Jes 42,5a. 1-4. 6-7)
Offenbar wissen jetzt wieder alle ganz genau, wie es geht: alle, die sich augenblicklich wortstark in Szene setzen und medienwirksam genau erklären, was man tun muss, um jugendliche Straftäter auf den rechten Weg zu bringen.
Es wird wieder heiß diskutiert. Zahlen liegen auf dem Tisch, hin und her wird interpretiert und immer wieder der Eindruck erweckt, als wäre das alles völlig neu und die Ursachen erst jetzt wirklich ganz genau bekannt.
Aber jetzt wissen plötzlich alle scheinbar ganz genau, was endlich getan werden muss: Die Strafen müssen härter werden, weniger Bewährung und mehr Gefängnis - und vor allem auch viel früher und dann länger als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.
Ach ja, und abschieben, abschieben müsste man sie natürlich alle - irgendwohin, am besten, wo der Pfeffer wächst.
Liebe Schwestern und Brüder,
es liegt nicht an mir, wenn das nicht nach sachlicher Diskussion, sondern nach Stammtischparolen klingt. Im Augenblick kann man beides kaum noch unterscheiden - und hoffentlich liegt das nur am Wahlkampf.
Man kann ja schon keinen Fernsehsender mehr anmachen, ohne dass irgendeine Diskussion läuft über Gewalt und jugendliche Straftäter und wie man sich davor am besten schützt. Recht und Ordnung sollen wieder herrschen. Und alle - und vor allem die anderen - sollen sich endlich wieder daran halten.
Die heutige Lesung passt hervorragend in diese Stimmung. Es geht um nichts anderes.
Was ist nach Jesaja das Kennzeichen des Gottesknechtes? Er bringt den Völkern das Recht! Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat.
Und auf sein Gesetz warten "die Inseln", wie es in der Einheitsübersetzung heißt. Sie können das genauso gut - und vielleicht sogar richtiger - mit "Kontinente" übersetzen: Auf dieses Recht warten die Kontinente, wartet alle Welt!
Nur, während ich im Fernsehen immer wieder höre, dass man dieses Recht nur durchsetzen könne, indem man die Leute schneller wegsperre, spricht der Prophet vom genauen Gegenteil. Der Gottesknecht wird kommen - natürlich um das Recht aufzurichten. Aber er tut es nicht, indem er einsperrt. Er tut es, indem er aus dem Kerker holt:
"Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien."
Da schwingt etwas mit, was in der gegenwärtigen Diskussion immer wieder in Vergessenheit zu geraten scheint - und zwar ganz besonders, wenn es um Kinder und Jugendliche geht.
Da kann es nie nur um Strafe gehen. Da kann es nie nur darum gehen, jemanden eben büßen zu lassen oder gar nach irgendwo anders hin zu verfrachten. Es muss darum gehen, ihm ein Leben zu ermöglichen, das sich an Werten und vor allem an der Gemeinschaft orientiert. Und das hat etwas mit Erziehung zu tun.
Ja, die fängt im Elternhaus an und da gibt es große Defizite.
Ja, die hat nicht nur mit Fördern, sondern auch mit Fordern zu tun, und das wurde über lange Jahre hinweg durchaus viel zu wenig gesehen.
Und: Ja, es braucht durchaus - was Erziehung angeht - eine starke Hand. Aber es braucht vor allem eine liebevolle Hand. Der Gottesknecht, von dem Jesaja spricht, macht das sehr deutlich.
Aktuell wird an den Stammtischen und in den Fernsehdiskussionen sehr viel über die starke Hand gesprochen. Ich wünsche unseren Politikern im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen und letztlich in unser aller Interesse, dass sie bei all den Parolen die Liebe nicht vergessen.
Amen.
(gehalten am 13. Januar 2008 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)