Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


14. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (Mt 11,25-30)

In jener Zeit sprach Jesus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht. (Mt 11,25-30)

Religion sei Opium des Volkes, meinte Karl Marx, und er hat wohl nicht ganz unrecht. Manchmal ist Religion schon so etwas wie ein Betäubungsmittel. Und manchmal wurde sie Menschen auch als solches verabreicht: 'Schau ganz auf das Jenseits, und erwarte dir nichts von diesem Leben.'

Mit solchen Parolen kann man schon verhindern, dass Menschen, die nichts haben, auf die Idee kommen könnten, vom großen Kuchen des Wohlstandes ein wenig abhaben zu wollen.

Mit Betäubung, mit Vertröstung, damit hat Religion schon manches Mal zu tun gehabt. Und manchmal vertröstet sie nicht nur, manchmal schadet sie sogar; manchmal macht Religion regelrecht krank.

Da schürt sie Angst und macht das Leben eng, weil Menschen vor einem Gott zittern, der jedes Vergehen straft, der eine Unmenge von Geboten erlässt, die kaum einzuhalten sind. Da führt Religiosität in Ängste und Zwänge, drückt Menschen zu Boden und macht ein Leben, das sowieso nicht leicht ist, nur noch schwerer und nur noch drückender.

Liebe Schwestern und Brüder,

all das gibt es. Und es beelendet mich regelrecht, wenn ich feststellen muss, dass es so etwas auch im Raum des Christentums gibt. Auch so manche christliche Spielart - christliche Gruppen mit sektiererischen Zügen und fundamentalistische Kreise - machen das Leben von Menschen eng.

Und aus der Vergangenheit kennen Sie sicher auch das eine oder andere Beispiel, selbst aus dem Raum unserer Pfarrgemeinden, wo von der Frohbotschaft des Jesus von Nazareth nur noch eine Menschen in Furcht und Zwang versetzende Drohbotschaft übrig geblieben ist. Und manchmal soll es ja auch durchaus Beispiele aus der Gegenwart geben.

Dabei ist nichts, aber auch wirklich nichts Jesus von Nazareth ferner als dies. "Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen." Das ruft er den Menschen seiner Zeit zu, Menschen, die von einem Gebotskatalog erdrückt wurden, der jede Einzelheit des Alltags bis in die Kleinigkeiten hinein reglementierte und dazu führte, dass Menschen sich gleichsam verbiegen mussten, um im Gestrüpp der Gebote und Regeln überhaupt noch bestehen zu können.

"Kommt alle zu mir", ruft Jesus Menschen zu, die Angst vor Gott haben, die mit einem Bild von Gott konfrontiert sind, das nur Furcht und Schrecken verbreitet.

"Ich will euch Recht und Ruhe verschaffen", sagt er denen, die unter den sozialen Verhältnissen leiden, die letztlich nicht mehr ein noch aus wissen.

Denn eines ist - nach Auskunft der Schrift - der Glaube an Jesus Christus nie: Vertröstung, Betäubung und etwas, was Menschen niederdrückt.

Er ist das genaue Gegenteil. Der Glaube an Christus befreit für dieses Leben, er vertröstet nie auf ein anderes. Dieses Leben ist Gottes Geschenk und Freude am Leben ist eine Frucht des Glaubens.

Deshalb hat Gott in der Geschichte auch immer wieder deutlich gemacht, dass er gegen Ungerechtigkeit vorgeht - schon in diesem Leben. Er tritt für die Menschen ein und steht auf der Seite derer, die im Leben zu kurz kommen.

Und eine Politik, die sich christlich nennt, darf deshalb nie auf einer anderen Seite stehen. Sie darf sich mit ungleichen Lebensverhältnissen nie zufrieden geben und sie schon gar nicht zementieren.

Leben ist nie nur jenseitig. Leben hat schon lange begonnen. Und der Glaube an Christus hat eine Bedeutung für dieses Leben.

Deshalb muss sich auch jede Religiosität, die sich auf Christus zurückführt, genau daran messen lassen: Überall, wo Religion menschliches Leben hindert, wo sie Leben trist und trostlos macht und in Zwänge hineinführt, überall dort ist es nicht der Geist Christi, der waltet.

Christus nämlich ruft uns zu: "Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und unter Lasten stöhnt. Ich will euch Ruhe verschaffen."

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 3 Juli 2005 in der Antonius- und Peterskirche, Bruchsal)