Predigten aus der Praxis

Ansprachen für Sonn- und Festtage


Predigt an Fronleichnam (Dtn 8,2-3. 14b-16a)

Mose sprach zum Volk: Du sollst an den ganzen Weg denken, den der Herr, dein Gott, dich während der vierzig Jahre in der Wüste geführt hat, um dich gefügig zu machen und dich zu prüfen. Er wollte erkennen, wie du dich entscheiden würdest: ob du auf seine Gebote achtest oder nicht. Durch Hunger hat er dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von jedem Wort lebt, das aus dem Mund des Herrn hervorgeht. Nimm dich in Acht, dass dein Herz nicht hochmütig wird und du den Herrn, deinen Gott, nicht vergisst, der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat; der dich durch die große und Furcht erregende Wüste geführt hat, durch Feuernattern und Skorpione, durch ausgedörrtes Land, wo es kein Wasser gab; der für dich Wasser aus dem Felsen der Steilwand hervorsprudeln ließ; der dich in der Wüste mit dem Manna speiste, das deine Väter noch nicht kannten. (Dtn 8,2-3. 14b-16a)

Das kennen Sie sicher: Sie haben gekocht und die, die am Tisch sitzen, sagen plötzlich: Wir haben aber gar keinen Hunger.

Liebe Schwestern und Brüder,

das ist eine ganz dumme Situation. Jede Köchin fragt sich da gleich, ob das am Essen liegt. Jeder Koch fragt sich, was er jetzt wohl wieder falsch gemacht hat, dass da alle auf einmal keinen Appetit mehr haben.

Aber manchmal ist das ja einfach so, manchmal haben Menschen einfach keinen Hunger. Und da kann es die schmackhaftesten Speisen geben, es geht einfach nichts mehr rein, es macht einen nichts mehr an. Das ist der Tod für jedes noch so köstliche Gericht. Wenn Menschen keinen Appetit mehr haben, wenn sie einfach keinen Hunger mehr verspüren, können sie die besten Speisen nicht mehr schätzen.

Wie wertvoll Nahrung ist, wird häufig erst dann wieder recht bewusst, wenn ich dann wieder Hunger spüre. So, wie ich die Gesundheit auch oft erst dann richtig zu schätzen weiß, wenn ich krank geworden bin. Und den Wert der Dinge ermesse ich meist auch dann nur wirklich, wenn sie mir fehlen oder abhandengekommen sind.

Beten wir deswegen im Vater Unser um das tägliche Brot? Nicht um Brot so viel wir brauchen, um ausreichend Brot, für immer! Nicht um Brot im Überfluss, sondern genau um das Maß, das uns wirklich nottut? Jeder Überfluss ist schließlich schädlich. Überfluss macht uns nicht nur träge, er nimmt uns den Blick für die Bedeutung und den Wert einer Sache. Sobald wir nämlich zu viel davon haben, vergessen wir nur allzu leicht, wie wertvoll so etwas ist.

Deshalb wollen wir auch heute genau so beten: Nicht, gib uns das Bewusstsein immer genug zu essen zu haben, sondern gib uns genau das Maß, das wir heute brauchen, damit wir nie vergessen, welchen Wert es hat. Lass uns nicht hungers leiden, aber gib uns nie so viel, dass wir den Hunger nicht mehr kennen, keinen Hunger mehr verspüren.

Lass uns nicht krank werden und über die Maßen gebrechlich sein, aber gib uns nie das Gefühl, dass Gesundheit etwas Selbstverständliches wäre, und lass uns nie so selbstsicher durchs Leben gehen, dass wir beginnen Raubbau mit dem Gut, das unser Körper darstellt, zu treiben.

Lass uns nicht auf der Straße sitzen, gib uns das Dach über dem Kopf und den Arbeitsplatz, den wir brauchen, aber bewahre uns vor dem Überfluss, der uns Unzufriedenheit schenkt und uns am Ende vor lauter Übermut wie ein Esel aufs Eis gehen lässt.

Gib uns genau das, was wir brauchen, in dem Maße, in dem es uns guttut, damit wir nie vergessen, dass wir darauf angewiesen sind - und auf die Menschen, die es uns bereiten. Und lass uns dadurch unsere Verantwortung für die anderen nie aus dem Blick verlieren. Schenke uns genau das rechte Maß, damit wir nicht darben und nicht Hunger leiden, aber den Hunger nach dir nie verlieren und deshalb dankbar, dankbar und zufrieden sind. Zufrieden und dankbar miteinander vor dir leben.

Amen.

Download-ButtonDownload-ButtonDownload-Button(gehalten am 19. Juni 2014 in der Antoniuskirche, Bruchsal)