Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
1. Adventssonntag - Lesejahr A (Mt 24,37-44)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen. Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. (Mt 24,37-44)
Es muss Anfang der 60er gewesen sein, zu der Zeit, als mein Vater den Führerschein machte, da soll eine der Fahrschülerinnen unheimliche Angst vor der praktischen Prüfung gehabt haben. Sie war recht unsicher und hatte Angst davor, zu schnell zu fahren, irgendeine Geschwindigkeitsbegrenzung zu übersehen und deswegen durch die Prüfung zu rasseln.
Ihr Freund scheint ihr damals einen verhängnisvollen Tipp gegeben zu haben. Er hat ihr geraten: "Fahr ganz einfach - egal was geschieht - nie mehr als fünfzig, dann kann dir gar nichts passieren. Achte einfach darauf, immer knapp unter fünfzig zu bleiben."
Sie hat es getan. Und der Prüfer hat ihre Absicht recht bald durchschaut. Und als sie zwischen den Ortschaften waren und sie immer noch, obwohl 80 erlaubt war, mit fünfzig vor sich hin zuckelte, da hat er sie dann reingelegt: Auf die Autobahn hat er sie gelenkt. Und als sie dann tatsächlich mit fünfzig Kilometern in der Stunde auf die A 5 fuhr, da war es dann passiert - sie war durchgefallen.
Liebe Schwestern und Brüder,
man kann auch zu langsam fahren.
Und manchmal ist das genauso schlimm als ob man zu schnell fahren würde. Man kann solche Angst davor haben, den einen Fehler zu begehen, dass man am Ende den einen wohl vermieden hat, aber genau dadurch in 'zig andere Fallen hineingetappt ist. Wer mit aller Gewalt einer Gefahr auszuweichen versucht, der wird am Ende nicht selten feststellen, dass er ihr letztlich genau in die Arme gelaufen ist.
Und obendrein muss man dann auch noch die Erfahrung machen, dass derjenige, der ohne große Gedanken einfach drauf los marschiert ist, dass der, ohne Schwierigkeiten durchgekommen ist. Da ist man vorsichtig bis zum Geht-nicht-mehr und der andere hats geschafft. Als ob uns das Leben lehren wollte, dass dem Leichtsinnigen die Welt gehört. Als ob es uns lehren wollte, dass, vorsichtig zu sein, am Ende gar nichts bringt.
Nun - ein bisschen was scheint da schon dran zu sein. Natürlich - wer sich allzu leichtsinnig gebärdet, der fällt irgendwann einmal unweigerlich auf die Nase. Das ist eine Binsenweisheit: Leichtsinn führt zu nichts.
Aber leichten Sinnes, leichten Sinnes an eine Sache heranzugehen, das ist schon so etwas wie ein Erfolgsrezept.
Das ist genauso wie beim Spazieren gehen. Wer einfach nur drauflos läuft und kein bisschen aufpasst wohin er tritt, der platscht natürlich mitten in die Pfütze. Wer aber überängstlich nur auf den Boden sieht und jeden seiner Schritte genauestens abwägt und überlegt, umgeht vielleicht die Pfütze, fällt am Ende dafür aber dann auf die Nase.
Leichten Sinnes einfach zu gehen, im Vertrauen auf seine Füße, die zu gehen gewohnt sind, mit der nötigen Vorsicht, aber vor allem mit der Zuversicht, dass man das Gehen ja gelernt hat und es auch kann - um an sein Ziel zu kommen, ist das schon so etwas wie ein Erfolgsrezept.
Ein Erfolgsrezept nicht nur fürs Spazieren gehen - für das ganze Leben!
Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn Jesus im heutigen Evangelium wieder einmal an den Ernst der Dinge erinnert. Wachsam sollen wir sein, denn wenn's dann soweit ist, dann wird die eine mitgenommen und der andere zurückgelassen. Mit dieser bedrohlichen Botschaft werden wir zu Beginn dieser Adventszeit im heutigen Evangelium konfrontiert - mit einer Botschaft, die ernst genommen werden möchte, die aber eines unter keinen Umständen will: Angst machen und entmutigen.
Man darf Jesu Mahnung nicht einfach in den Wind schlagen. Das hieße leichtsinnig alles aufs Spiel zu setzen, wofür wir einmal angetreten sind. Aber genauso wenig dürfen einem diese Worte die Angst in die Glieder fahren lassen.
Wer sich jetzt nur noch mit der Frage quält, ob er nicht doch etwa zu denen gehören könnte, die am Ende zurückgelassen werden und ihr Ziel nicht erreichen, wer deshalb von Skrupeln und Selbstzweifeln geplagt nur noch übervorsichtig einen Fuß vor den anderen setzt, vor lauter Angst, er könnte ja einen Fehler machen, der sitzt wie jene Frau bei der Fahrprüfung so völlig verkrampft hinter dem Steuer seines Lebens, dass es eigentlich nur noch schief gehen kann.
So zu reagieren, ist mindestens genauso falsch wie einfach kopflos drauf los zu rennen.
Lassen Sie sich deshalb nicht bange machen. Jesus hat uns verheißen, dass wir dabei sein werden, wenn wir ihm folgen. Also folgen wir ihm, nicht indem wir blindlings einfach aufs Gas drücken, aber genauso wenig indem wir uns überängstlich und verkrampft schon gar nicht mehr zu leben trauen.
Das Leben birgt Gefahren und der Weg des Evangeliums ist nicht der einfachste. Wir brauchen trotzdem keine Angst davor zu haben. Wir müssen diesen Weg schließlich nicht erst neu erfinden, wir müssen ihn lediglich nachgehen.
Jesus ist der Weg - an ihn müssen wir uns nur halten: Fünfzig, wo fünfzig angezeigt ist - achtzig, wo man achtzig darf - und Volldampf voraus, wo die Bahn wirklich frei ist.
Also Kopf hoch und Brust raus. Zuversicht ist angesagt. Richtet euch auf und erhebt euer Haupt, denn es naht eure Erlösung.
Amen.
(gehalten am 1./2. Dezember 2001 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)