Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
4. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr A (1 Kor 1,26-31)
Seht auf eure Berufung, Brüder! Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen, und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott. Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn; so heißt es schon in der Schrift. (1 Kor 1,26-31)
Wie sieht eigentlich eine gute christliche Familie aus?
Nun, die Antwort ist im Grunde recht einfach: Vater und Mutter sind ordentlich verheiratet, die Kinder sind getauft, man engagiert sich in der Gemeinde, man geht am Sonntag in den Gottesdienst und das am besten gemeinsam.
Und was ist dann ein guter Katholik?
Ein anständiger Mann eben, einer, der seine Frau nicht schlägt, ordentlich seiner Arbeit nachgeht, karitative Organisationen unterstützt, sich nur in ganz bestimmten Parteien engagiert oder höchstens noch bei den Freien Wählern, nicht fremdgeht oder säuft, zumindest nicht so, dass es nach außen hin auffällt.
Liebe Schwestern und Brüder,
das ist das Bild von christlicher Gemeinde, das die wenigsten von Ihnen vermutlich so unterschreiben würden, das aber die öffentliche Erscheinungsform von Kirche letztlich genau so prägt. Unsere Gemeinden sind getragen von anständigen, staatstragenden und engagierten Persönlichkeiten, die man sich leicht zum Vorbild nehmen und die unsere Kirche auch durchaus vorzeigen kann.
Und diese Menschen passen damit genau zu dem, was Kirche letztlich propagiert. Sie legt ja auch einen ganz schönen moralischen Anspruch an den Tag und dem haben die Gemeinden und ihre Mitglieder letztlich auch zu entsprechen.
Und deshalb wird, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht, dieses schöne Bild auch ganz kräftig poliert. Es wird gepflegt und ist genau jenes Image, das man in der Öffentlichkeit ja auch haben möchte.
Da stören eigentlich nur diejenigen, die da nicht mit können, die ihre Fassaden nicht mehr aufrecht halten können, bei denen auffällt, dass sie Probleme haben, mit Alkohol, dass ihre Ehe gescheitert ist, sie ein Kind alleine großziehen, einen neuen Partner gefunden haben und gegen die Vorstellungen von Kirche auch noch glücklich mit ihm sind! All diejenigen, die eben keine Leistungsträger in dieser Gesellschaft mehr sind, die von Sozialleistungen leben und ihren Kindern nichts zu bieten haben, die straffällig geworden sind und nun wieder einen Fuß auf den Boden bekommen möchten, all diejenigen, die ihr Scheitern nicht mehr verbergen können, haben hier demnach kaum noch einen Platz.
Ich begegne ihnen zumindest hier ausgesprochen selten.
Das war zu den Zeiten eines Paulus offenbar noch anders. Wenn es im ersten Korintherbrief heißt, dass nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige oder Vornehme von Gott erwählt worden seien, dass er vielmehr das Schwache, Törichte und Niedrige erwählt habe, dann umschreibt das letztlich nur sehr blumenreich den Zustand einer Gemeinde, die nach heutigen Maßstäben kaum vorzeigbar wäre. Es war eine Gemeinde, die aus Huren, Hafenarbeitern, Schlägern und Trinkern zusammengesetzt war.
Die paulinische Gemeinde von Korinth war schließlich im sozialen Brennpunkt der Hafenstadt angesiedelt, dort, wohin sich die feine, gutbürgerliche Gesellschaft kaum einmal hingetraut hat. Paulus hatte dort offenbar am meisten Gehör gefunden. Und vielleicht hat er dort auch zuallererst einen Anknüpfungspunkt gesucht, weil er darum wusste, dass Gott Mensch geworden ist, um die Verlorenen, die Verlassenen und die Ausgestoßenen zu sammeln und ihnen seinen Beistand zu versichern.
Jesus ist gekommen um Sünder zu berufen, nicht die, die von sich selbst glaubten, dass sie es gar nicht nötig hätten.
Wo aber sind genau diese Menschen heute? Warum haben sie offenbar in dieser Kirche, in unseren Gemeinden kaum einen Platz?
Vielleicht liegt das genau an dem Bild, das Kirche sich heute so gerne gibt. Vielleicht liegt es an unserem Image, einem Image, das von unseren Werbestrategen immer stärker gepflegt wird.
Da lächeln auf Hochglanzprospekten und Plakaten dann immer häufiger junge, dynamische, durchtrainierte Gestalten fröhlich in die Kamera und laden zum Mittun ein.
Aber nicht die Weisen und Mächtigen und Starken, die Vorzeigepersönlichkeiten und Strahlemänner sucht unser Gott als erstes. Jesus Christus hat die gerufen, die mühselig und beladen waren, die ihre Schuld nicht verbergen konnten und sich nicht länger hinter scheinheiligen Fassaden verbergen wollten. Er hat diejenigen Schwestern und Brüder genannt, die offen zu ihren Verfehlungen gestanden sind und nicht mit Fingern auf andere gezeigt haben.
Um solche Gemeinden über den ganzen Erdball zu gründen ist Paulus ausgezogen. Und eine solche Gemeinde zu sein, wieder zu solch einer Gemeinde zu werden, allein dazu sind auch wir berufen.
(gehalten am 29./30. Januar 2011 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)