Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Fest der Taufe des Herrn - Lesejahr A-C (Jes 42,5a. 1-4. 6-7)
So spricht Gott, der Herr: Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht. Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Straße erschallen. Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf sein Gesetz warten die Inseln. Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien. (Jes 42,5a. 1-4. 6-7)
Liebe Schwestern und Brüder,
"Er lärmt nicht und er schreit nicht! Und er lässt seine Stimme auch nicht auf der Straße erschallen!" So charakterisiert Jesaja - wir haben es eben gehört - den Messias, der kommen soll; so spricht er vorausblickend über Jesus! "Er lärmt nicht und er schreit nicht!"
Ach hätte er doch mehr geschrien! Und, ach würde er doch mehr Lärm verbreiten! Ich wünsche es mir mehr als nur manchmal. In einer Welt, in der nur Aufmerksamkeit erregt, wer möglichst viel Staub aufwirbelt und ausgiebig von sich reden macht, da wird jemand nicht einmal einen Blumentopf gewinnen, der auf der Straße seine Stimme nicht erschallen lässt, der nicht lärmt und nicht jeden Tag neue Schlagzeilen macht.
Wie soll man diesen Jesus unter die Leute bringen, wenn er neben all den Königen der Selbstdarstellung, die heute die Szene beherrschen, so stark abfällt. Das größte Problem für alle kirchlichen Marketing-Strategien, das größte Problem dafür ist offensichtlich Jesus Christus selber, mit solch einem Leise-Treter-Messias lässt sich in unserer Leuchtreklamen-Gesellschaft eben kaum noch Staat machen.
Und noch ärger scheint mir zu sein, dass es offensichtlich nicht nur Schwierigkeiten gibt, diesen Jesus Christus dann unter die Leute zu bringen. Viel schwerer noch scheint mir zu wiegen, dass es meist ja schon so weit ist, dass wir selber uns bereits schwertun, diesen Messias wahrzunehmen.
Wie soll man auch unter dem Gedröhn, dem Geflimmer und all dem Getöse, das uns heute umgibt, jemanden wahrnehmen, über den es von Anfang an heißt, dass er im Grunde völlig still ist? Wie soll man im Lärm den Hauch eines Windes, das Wehen eines kleinen Lüftchens überhaupt noch registrieren? Alles andere als verwunderlich, dass auch immer mehr von uns immer weniger von diesem Jesus Christus zu spüren meinen. Der lärmt eben nicht, er schreit nicht, ja, er lässt nicht einmal seine Stimme auf der Straße erschallen.
Fragen Sie mich bitte nicht, warum das so ist! Ich weiß auch nicht, warum er es uns da oftmals so ungeheuer schwer macht. Aber wenn es denn doch nun einmal genauso zu sein scheint, wenn genau das nun eben ein Charakterzug dieses Messias ist, wenn es anscheinend von vorneherein zu ihm gehört, dass er nur im Stillen, im Verborgenen einhergeht, dann wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als uns eben genau darauf einzustellen! Dann werden wir wohl, wenn's uns nicht genauso gehen soll, wie all denen, die von Jesus nichts mehr zu spüren meinen, dann werden wir wohl die Worte des Propheten Jesaja sehr ernst nehmen müssen. Dann werden wir wohl nicht darum herumkommen, Jesus eben genau dort nicht zu suchen, wo der meiste Lärm, das größte Geflimmer und die buntesten Attraktionen sind.
Mit dem Suchen nach Jesus dürfte es dann nämlich wohl gar nicht so viel anders sein, als wenn man versucht, das Ticken einer mechanischen Armbanduhr zu hören. Auch da wird man sich ja wohl tunlichst nicht gerade neben die laufende Küchenmaschine stellen. Auch da wird einem ja nichts anderes übrig bleiben, als beiseite zu treten, dorthin, wo es still ist, dort, wo man mit einiger Anstrengung das Ticken der Uhr durchaus vernehmen kann.
Wer Jesus Christus in seinem Leben nicht aus dem Blick verlieren möchte, wer ihn spüren, ihn wahrnehmen möchte, der wird letztlich wohl genau das Gleiche tun müssen. Es wird ihm wohl nichts anderes übrig bleiben, als immer wieder für sich ganz allein beiseite zu treten, weg von den lärmenden Straßen, heraus aus dem dröhnenden Alltagsgeschehen, die Nischen zu suchen, Nischen im eigenen Leben, in denen es still ist, in denen man in die Stille hineinhören kann, in denen man den vernehmen kann, der nicht dröhnt und nicht schreit, aber nicht minder da ist.
Gerade jetzt, wo die Weihnachtszeit zu Ende geht, wo die Ferien wieder vorüber sind, wo wir wieder drauf und dran sind, uns in den Alltag zu stürzen, gerade jetzt scheint mir dieser Hinweis des Propheten Jesaja sehr wichtig zu sein. Achten wir darauf: Dieser Messias, dem wir folgen, der macht wenig Aufhebens, der ist sehr leise, nur sehr schwer zu vernehmen, man nimmt ihn im Grunde nur dann wirklich wahr, wenn man selbst leise und still wird, wenn man selbst den Mut hat, beiseite zu treten und in die Stille zu hören.
Aber dieses Unterfangen lohnt sich. Auch das macht Jesaja uns ja klar. Denn dieser Knecht, der im Stillen ohne viel Lärm am Werk ist, der richtet das Recht auf und der öffnet den Blinden die Augen und der hat die Kraft, Gefangene aus dem Kerker zu holen, auch aus dem Kerker des täglichen Gedröhnes, er hat die Macht, alle, die im Dunkel einer alltäglichen Tretmühle sitzen, aus ihrer Haft zu befreien.
Amen.
(gehalten am 10./11. Januar 1998 in der Peters- und Pauluskirche, Bruchsal)