Predigten aus der Praxis
Ansprachen für Sonn- und Festtage
Weihnachten - Am Tag (Joh 1,1-5. 9-14)
Große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus.
Das gilt auch für Weihnachten. Nicht umsonst gibt es die Feier in der Heiligen Nacht. Das Geheimnis der Weihnacht ist zu groß, um es nur am Tag selbst zu feiern.
Liebe Schwestern und Brüder,
mittlerweile haben sich hier die Dinge aber irgendwie schon umgekehrt. Die Heilige Nacht ist ja schon lange nicht mehr der Auftakt zu den Feierlichkeiten an Weihnachten. Der Weihnachtstag selbst steht ja schon längst im Schatten der Christmette und der Gottesdienste am Vorabend.
Von wegen: Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Mittlerweile ist Weihnachten ja zu einem regelrechten Schattengewächs verkommen - von der Weihnachtszeit selbst letztlich ganz zu schweigen.
Während sich in der Christmette die Menschen gleichsam stapeln, gibt es am Feiertag schon wieder Platz zum Liegen. Und die Kirchenchöre nehmen sich natürlich lieber der Heiligen Nacht an, wo Hunderte ihren Stücken lauschen, als der Festgottesdienste am Weihnachtstag, in denen sie da und dort ja schon vor Reihen leerer Bänke singen.
Und wenn man die Menschen fragt, wann denn eigentlich Weihnachten sei, hört man mit Sicherheit viel häufiger als Datum den 24. Dezember als den eigentlichen Tag, den darauffolgenden 25. nämlich.
Woran das liegt, ist recht unschwer auszumachen. Daran ist die Kirche, ist ihre Liturgie wohl letztlich selbst mit schuld. Was ist das auch für ein verkopftes, kaum zu verstehendes und trockenes Evangelium, das da regelmäßig an Weihnachten verkündet wird. Vom Wort wird da gehandelt, von so etwas Abstraktem wie dem Wort, das Fleisch geworden ist. Nicht von Engeln und Hirten, von Schäfchen und der Krippe. Da geht es verkopft und vernünftig zu.
Ganz anders als die Christmette, in der es um Emotionen und Gefühle geht, in der man den Alltag ausblenden und sich in eine ganz andere Welt hinüberretten kann. Kaum ein Fest im Jahreskreis erlebt solch einen emotionalen Absturz, wie das an Weihnachten der Fall ist.
Aber hat das nicht irgendwo auch seinen ganz tiefen Grund? Die Heilige Nacht droht ohne den Weihnachtstag schließlich in eine ungeheure Schieflage zu geraten. Weihnachten ist nämlich mehr als Stimmung, mehr als Gefühlsduselei und nicht nur ein süßliches Familienevent.
Wenn wir bei den Gefühlen stehen bleiben, dann droht Weihnachten zu einem zwar umsatzkräftigen, aber recht folgenlosen Ereignis im Jahr zu verkommen. Es braucht die andere Seite der Medaille, den vernunftbetonten Weihnachtstag, das nüchterne Reflektieren darüber, was uns Menschen mit der Geburt Jesu von Nazareth letztlich geschenkt wurde, das Nachdenken darüber, was das für unsere Welt bedeutet und welche Konsequenzen es letztlich für unser Handeln, unser Wirtschaften, das Miteinander der unterschiedlichen Gruppen in unserer Gesellschaft und dieser Welt haben muss. Wer an Weihnachten nur beim Gefühl bleibt, der verkennt, dass dieser Tag etwas bewirken will, seine Wirkung entfalten möchte.
Weihnachten will der Beginn einer neuen Zeitrechnung sein, einer neuen Zeit, einer erfüllten Zeit, die Gottes Reich zum Durchbruch verhelfen will.
Das ist auch nach 2000 Jahren noch immer nicht gelungen. Davon sind wir noch mindestens so weit entfernt, wie wir das damals bei der eigentlichen Weihnacht gewesen sind. Dazu braucht es noch viel Verstand, viel nüchterne Überlegung, sehr viel mutige Entscheidung und konsequente Folgerichtigkeit. Weit mehr, als alles Gefühl, das die Menschen an Weihnachten so sehr lieben. Es braucht dazu genau diesen vernünftigen Feiertag, der uns wieder neu auf die Bahn bringen will, auf die Bahn dessen, den wir heute feiern, in die Spur dieses Jesus von Nazareth, in seine Nachfolge, in die Spur dessen, was er für diese Welt und für uns Menschen letztlich bewirken wollte.
Amen.
(gehalten am 25. Dezember 2013 in der Peters- und Antoniuskirche, Bruchsal)